„Mit dem Rücken schon in der Wand“

■ Oswald Metzger, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen

taz: Können die neuen Haushaltslöcher Waigel tatsächlich überrascht haben?

Oswald Metzger: Alle Insider wissen bereits seit Jahresende, daß dieser Haushalt so nicht bestehen konnte, aber die Regierung hat den Deckel draufgehalten. Sie gibt sich alle Mühe, die Menschen in ihrer Überzeugung zu bestätigen, daß sie vor Wahlen ohnehin nur angelogen werden. Dabei ist den meisten längst klar, daß sie vom Staat weniger finanzielle Leistungen erwarten können.

Wie viele Milliarden fehlen nach Ihren Berechnungen?

Ich gehe davon aus, daß es im Gegensatz zu den Erwartungen der Bundesregierung in diesem Jahr kein oder nur ein sehr geringes reales Wachstum geben wird. Die Steuerausfälle werden meiner Einschätzung nach rund 12 Milliarden Mark betragen, hinzu kommen die Mehrausgaben wegen höherer Arbeitslosigkeit – das sind noch einmal 11 bis 12 Milliarden Mark. Das bedeutet ein konjunkturbedingtes Haushaltsloch von rund 24 Milliarden Mark – ein fast doppelt so hoher Betrag wie der, den die Koalitionsexperten bislang zugeben.

Ist der Haushalt denn durch kleinere Korrekturen noch zu retten oder gar nur durch eine Große Koalition?

Finanzpolitisch stehen die öffentlichen Haushalte in Deutschland nicht nur mit dem Rücken zur Wand, sondern mit dem Rücken in der Wand. Die Finanzierung war schon am Anschlag, bevor nun die konjunkturbedingten Ausfälle dazukamen. Nach den Landtagswahlen kommen harte Zeiten, denn dann wird auch über Leistungseinschränkungen im Sozialbereich geredet werden. Je nach Ausgang der Landtagswahlen werden dann auch die Möglichkeiten einer Großen Koalition in Bonn geprüft. Denn die Länder – auch die SPD- regierten Länder – kämpfen mit ähnlichen Problemen wie der Bund und sind vielleicht mit der Idee der Erhöhung einer Verbrauchssteuer – etwa der Mehrwertsteuer – zu einem Gesamtpaket zu verführen.

Befürworten Sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer?

Ich sehe sie mit großer Skepsis, weil sie eine unsoziale Steuererhöhung darstellt. Unser Ökosteuermodell bietet dagegen schon in der ersten Stufe Möglichkeiten der Unterstützung der sozialen Sicherungssysteme: Mit der Erhöhung der Benzinsteuer um 20 oder 30 Pfennig könnte der Anstieg der Lohnnebenkosten im nächsten Jahr gebremst werden – gleichzeitig wäre ein ökologischer Lenkungseffekt erzielt.

Was halten Sie von der Haushaltssperre?

Der Finanzminister ist dazu sogar verpflichtet, wenn die Entwicklung der Konjunktur wesentliche Abweichungen vom Haushalt erbringt. Die Dramatik zeigt sich daran, daß er das schon im ersten Quartal tun muß. Theo Waigel muß aufpassen, daß die Bewirtschaftung nicht den Arbeitsmarkt schwächt. An Investitionskürzungen wird er kaum vorbeikommen – und Investitionen sichern in der Regel auch Beschäftigung. Oder er erhöht die Nettoneuverschuldung. Dann allerdings wäre die Erfüllung der Maastricht-Kriterien in weite Ferne gerückt. Interview: Hans Monath