Schuldige für die Arbeitslosigkeit sind gefunden

■ Bonner Koalition macht rot-grüne Landesregierungen für Arbeitslosigkeit verantwortlich. SPD fordert Kanzler Kohl im Bundestag zu Krisengipfel auf

Bonn (taz) – Zuerst die gute Nachricht: Der Deutsche Bundestag hat endlich die Ursache der Massenarbeitslosigkeit ausgemacht. Nun die schlechte: Die gestern gelungene Identifizierung des angeblichen Grundübels wird keinen einzigen Jobsucher in Lohn und Arbeit setzen.

Einen Tag nach Verkündung der neuen Nürnberger Rekordmarke fiel der Koalition bei der gestrigen Debatte im Bundestag nämlich nichts anderes ein, als ausgerechnet den rot-grünen Landesregierungen die Schuld für das Ausbleiben eines bundesweiten Beschäftigungsaufschwungs in die Schuhe zu schieben. Gut zwei Wochen vor den Landtagswahlen in drei Bundesländern bezeichneten sie rot-grüne Regierungen als „Jobkiller“. „Rot-Grün ist ein Bündnis gegen Wachstum und Beschäftigung“, so faßte Christian Lenzer (CDU) schließlich die Argumente seines Lagers zusammen. Und so verabschiedeten Union und FDP gestern denn auch einen Antrag, in dem die Länder kategorisch aufgefordert werden, die Infrastruktur auszubauen.

Die Regierungskrise im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen stilisierten die Regierungsparteien zum Menetekel für jede sozialökologische Regierung. Der in Düsseldorf ausgetragene Konflikt zwischen ökologischen Forderungen und Arbeitsplätzen, so der Vorwurf, werde sich in dieser Konstellation stets wiederholen und gegen die vorrangigen Interessen der Menschen entschieden werden. In NRW sei Rot-Grün als Modell für Deutschland endgültig gescheitert, konstatierte der angriffsfreudige FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle in seiner ersten Bundestagsrede.

„Sie haben nicht mehr zu bieten als ein ziemlich inhaltsloses Wahlkampfspektakel“, konstatierte dagegen Werner Schulz (Bündnis 90/ Die Grünen). Das SPD-Angebot einer Zusammenarbeit wies die Regierung zurück. Fraktionschef Rudolf Scharping hatte den Kanzler zu einem Spitzengespräch über Arbeitslosigkeit spätestens nächste Woche aufgefordert.

Der Kabinettschef, so verlangte Scharping, solle endlich in einer Regierungserklärung Rechenschaft ablegen, was er gegen die Arbeitslosigkeit tun wolle. Der Kanzler war im Parlament zwar zugegen, wollte aber offensichtlich nicht zu eng mit drängenden Mißständen in Zusammenhang gebracht werden: Er zog es vor, zu schweigen. Hans Monath