Kein Platzhirsch im Frauenviertel

■ In Neukölln sollen die Straßen eines Neubauviertels Frauennamen tragen. Der Bezirksbürgermeister aber wollte drei Plätze nach Rittern und Gastwirten benennen

Neukölln wird wohl das erste Frauenviertel Berlins bekommen. Die 17 Straßen eines Neubaugebietes auf den Rudower Feldern sollen ausschließlich Frauennamen tragen. Der dafür zuständige Verkehrs- und Tiefbauausschuß der BVV faßte zwar auf seiner Sitzung Mittwoch abend keinen förmlichen Beschluß dazu, „aber die Stimmung war eindeutig“, so eine Teilnehmerin. Dabei hatte es bis Dienstag noch ganz danach ausgesehen, als ob der Neuköllner Bezirksbürgermeister Bodo Manegold (CDU) Platz für Platzhirsche schaffen würde.

Die einzigen drei Plätze des Viertels, so sein mit dem Heimatverein abgestimmter Vorschlag, sollten nach Männern benannt werden: nach Andreas Hermes, nach Beteke Dyreken, Ritter aus dem 13. Jahrhundert, und nach Fritz Grötchen. Dieser ehemalige Wirt des Rudower Gasthauses „Zum alten Krug“, benahm sich nicht immer fein. Im Volksmund hieß er nur der „grobe Gottlieb“.

Bisher tragen nur 8 der 682 Straßen Neuköllns weibliche Namen. Für die Bezirksfrauenbeauftragte Renate Bremmert-Hein und die Bezirksverordnete Jutta Weißbecker (beide SPD) war das der Anlaß, eine kleine Kampagne zu starten. In einem öffentlichen Aufruf baten sie die EinwohnerInnen des Bezirks, verdiente NeuköllnerInnen zu benennen, die mit einer Straße beehrt werden sollten.

Offenbar herrscht an solchen Frauen kein Mangel. Auf der Vorschlagsliste der Bezirkspolitikerinnen stehen nunmehr 17 Namen: unter anderem Jeanette Wolf (1888 bis 1976), SPD-Widerstandskämpferin und Vorsitzende des jüdischen Frauenbundes; Käthe Frankenthal (1889 bis 1976), Sexualberaterin, Jüdin, Sozialistin; Mathilde Vaerting (1884 bis 1977), die 1911 die zweite Professorin Deutschlands wurde; Friedel Gräf, die 1918 als einzige Frau in solcher Funktion Mitglied im Neuköllner Arbeiter- und Soldatenrat wurde.

Eine Gruppe von Neuköllnerinnen begeisterte sich so für die Idee des Frauenviertels, daß sie sogar einen Film darüber drehte – er läuft heute im Offenen Kanal. Die CDU und allen voran ihr Bürgermeister widmeten sich indes weiterhin mit aller Kraft der Förderung unterdrückter Ritter und benachteiligter Gastwirte. Deshalb Schlimmes befürchtend, zog die Frauengruppe am Dienstag abend zur Sitzung des Verkehrsausschusses. Wer in den Sitzungssaal wollte, hatte ein Spalier von frauenbenamten Straßenschildern zu passieren. Drinnen machten die Frauen der SPD und der Grünen für ein Frauenviertel ohne Platzhirsche stark, während der CDU- Bürgermeister sich nunmehr in weiser Zurückhaltung übte. „Vielleicht gibt es ja doch noch mal einen Schlagabtausch“, orakelte der Bürgermeister gegenüber der taz. „Aber eigentlich habe ich derzeit ganz andere Sorgen.“ Ute Scheub