...und manche haben noch Arbeit

■ 4,3 Millionen ohne Job: Höchste Arbeitslosigkeit der Nachkriegszeit. Jagoda: Noch immer ist der Winter schuld

Nürnberg (taz) – Schon wieder ein neuer Arbeitslosenrekord: Ende Februar waren in Deutschland 4,27 Millionen Menschen ohne Arbeit – das ist die höchste Zahl in der Nachkriegsgeschichte. Der bisherige Höchststand im Januar wurde damit noch einmal um 111.500 übertroffen. Die Arbeitslosenquote beträgt jetzt 11,1 Prozent und kletterte damit binnen Jahresfrist um 1,1 Prozent nach oben.

Bernhard Jagoda, Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BfA), hat als wesentlichen Verursacher für die Verschlechterung des Arbeitsmarktes den „extrem kalten und langen Winter“ ausgemacht. Er verhehlt jedoch nicht den Einfluß der „anhaltend gedämpften Konjunktur“. „Trotzdem lassen wir uns nicht entmutigen“, verkündete er angesichts der katastrophalen Lage.

In den alten Bundesländern registrierten die Arbeitsämter Ende Februar 2,96 Millionen Arbeitslose. Das sind 241.200 mehr als vor einem Jahr und 59.400 mehr als im Januar. Die Arbeitslosenquote beträgt dort inzwischen 9,6 Prozent. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit wiegt laut BfA- Präsident Jagoda im Westen „um so schwerer, als die Entlastung durch Arbeitsmarktpolitik zugenommen“ habe. Im Februar wurde der Arbeitsmarkt in einem Umfang von gut 700.000 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Weiterbildungen und ähnlichem gestützt, dies sind 50.000 mehr als noch einen Monat zuvor.

Im Osten ist inzwischen jeder sechste ohne Job. 1,3 Millionen Arbeitslose bedeuten eine Quote von 17,5 Prozent. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen entlasten dort die Statistik nurmehr um 800.000, also um 300.000 weniger als im Vorjahr. „Natürlich verbessert sich die Lage“, versuchte BfA-Präsident Jagoda noch Optimismus zu verbreiten. Da fiel ihm Hanspeter Leikeb, Leiter des BfA-eigenen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), ins Wort. Er rechnete schonungslos mit der Politik der Bundesregierung ab: „Wir dürfen uns nicht kaputtsparen, die labile Situation könnte sich dann krisenhaft zuspitzen.“ Leikeb forderte, die Konsolidierung des Haushalts nicht kurz-, sondern mittelfristig anzupeilen. Es gelte jetzt, die Konjunktur mit zusätzlichen Ausgaben anzukurbeln.

Die SPD hat von Bundeskanzler Kohl gefordert, einen „Bericht zur Lage in Deutschland“ abzugeben. Kohl müsse „darlegen, mit welchen konkreten Maßnahmen Deutschland aus der Krise herausgeführt werden soll“, verlangten SPD- Chef Lafontaine und Fraktionsvorsitzender Scharping. Bundeswirtschaftsminister Rexrodt (FDP) erklärte, die Zahlen müßten als Signal zu raschem Handeln aufgefaßt werden. Die Wirtschaft steuere jedoch nicht auf eine neue Rezession zu. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sagte, die dramatische Arbeitsmarktlage stünde in auffälligem Gegensatz zu den guten Geschäftsergebnissen der Unternehmen.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), hat vor dem Trugschluß gewarnt, daß weniger Arbeitserlaubnisse für Ausländer mehr Jobs für Deutsche bedeuteten: „Die Zahlen lassen sich ohne Differenzierung nicht vergleichen.“ Sie mahnte zur Umsicht im Umgang mit der entsprechenden Statistik. Bernd Siegler