Ottilie kann sich arrangieren, Eulalia nicht

■ Wie Familie Normalverbraucher von den Sparbeschlüssen betroffen ist: Studiengebühren, Schulbücher, Volkshochschulen und Bibliotheken werden teurer. Weil sie ein dünneres Polster haben, trifft e

Konstruieren wir uns mal eine durchschnittliche Familie: Ottilie Normalverbraucher arbeitet halbtags als Sekretärin im öffentlichen Dienst, ihr Mann Otto als Bauingenieur. Das Ehepaar hat drei Kinder und wohnt in einer Mietwohnung. Wie sehr wird sich die Familie einschränken müssen, wenn die Sparbeschlüsse des Senats konsequent umgesetzt werden?

Der älteste Sohn, Anton, studiert als begeisterter Computerfreak Informatik. Nacht für Nacht surft er mit seinem PC im Internet herum und belastet damit die Haushaltskasse noch mehr als früher – wofür in diesem Fall nicht der böse Senat, sondern die üble Telekom verantwortlich ist. Außerdem soll er demnächst Studiengebühren berappen: 100 Mark pro Semester. Ob er aber an der Freien Universität weiterstudieren kann, steht im virtuellen Raum – sein Fach soll gestrichen werden.

Antons Schwestern sind erheblich jünger. Berta ist Erstkläßlerin, Carla geht in den Kindergarten. Bertas Schulspeisung soll jetzt täglich 4,40 Mark statt 2,20 Mark kosten, außerdem muß sie wegen der Sachmittelkürzungen mehr Schulbücher als bisher selber kaufen. Für Carlas Kindergartenplatz möchte das Jugendamt nun elf und bald zwölf statt bisher zehn Monate lang jeweils 200 Mark haben.

Auch für ihre Hobbys muß Ottilie mehr berappen als bisher. Ihre Volkshochschulkurse sollen teurer werden, ebenso die Theaterkarten. Außerdem müßte die Wohnung von Familie Normalverbraucher dringend modernisiert werden. Aber die Zuschüsse dafür werden demnächst ebenfalls gestrichen. Ottilie flucht: Nun muß sie weiter Kohlen für den Ofen hochschleppen. Das findet sie persönlich schlimmer als die insgesamt rund 170 Mark monatlich, die die Familie demnächst zusätzlich ausgeben muß. Das sei verkraftbar, sagt sie. „Allerdings nur so lange, wie wir unsere Arbeit behalten.“

Wesentlich schlimmer dran, findet Ottilie, sei ihre Schwester. Eulalia ist Sozialhilfeempfängerin und alleinerziehende Mutter zweier Kinder, und die Sparmaßnahmen treffen sie in vielfacher Weise. Erstens hoffte Eulalia als Langzeitarbeitslose auf einen Qualifizierungskurs in der „Werkstatt für textiles Gestalten“ – das Projekt soll nun auslaufen. Zweitens kann sie ihren Dreijährigen nicht in die Kita schicken, obwohl sie ab Sommer einen Rechtsanspruch auf einen Platz hat – sie bringt die 60 Mark monatlich einfach nicht auf. Drittens wird sie immobil – die BVG will die Sozialkarte abschaffen, die Umweltkarte aber ist für Eulalia unbezahlbar. Viertens kann sie ihren Kindern kaum mehr Bücher aus der Bibliothek mitbringen – wegen der Benutzergebühren. Und fünftens kann sie ihre Große nicht mehr zum Schwimmen schicken – das Bezirksbad wird privatisiert, der Eintrittspreis verdoppelt sich.

Den Unternehmer Wilhelm Wattebausch, den Chef von Otto Normalverbraucher, treffen die Sparbeschlüsse am wenigsten. Zwar muß er demnächst mehr Gewerbesteuer zahlen und für Firma und Eigenheim mehr Abwassergebühren berappen. Auch die Privatschule, die Sohnemann besucht, wird teurer, die Klassen werden etwas größer, weil die Senatszuschüsse dafür gekürzt werden. Familie Wattebausch aber hat ein ungleich größeres finanzielles Polster, die Mehrausgaben fallen in ihrer Haushaltskasse so gut wie nicht auf, und sie ist auf öffentliche Dienstleistungen nicht angewiesen. Daß der nahe gelegene Schularbeitszirkel als Projekt gestrichen wird, ist Wattebauschs Wurscht: Bei einem privaten Nachhilfelehrer, sagen sie, lerne ihr Sohn doch viel mehr. Ute Scheub