„Ressentiments gegen Westen sind zu dürftig“

■ Bündnisgrüne-Vorstandssprecherin Krista Sager über Vorwürfe von Parteifreunden aus den neuen Ländern und den Streit um den Berlin-Umzug ihrer Parteizentrale

taz: Steuern die Grünen in einen ähnlichen Ost-West-Konflikt wie ihn die CDU momentan durchmacht?

Krista Sager: Das glaube ich nicht. Ich kann in dem Streit um den Berlin-Umzug keinen Ost- West-Konflikt erkennen. Werner Schulz hat sich sehr über die Entscheidung des Parteitags geärgert, den Berlin-Umzug zu verschieben. Aber viele Parteimitglieder aus dem Osten, die sich auf die Landespolitik konzentrieren, können einer teuren Pendelpolitik des Bundesvorstandes zwischen Berlin und Bonn wenig abgewinnen. Sie setzen auf Unterstützung ihrer Bemühungen zum Wiedereinzug in die Landtage vor Ort und die Begleitung durch eine erfolgreiche Arbeit von Partei und Fraktion auf Bundesebene. Dagegen forderten vor allem Berliner und die etwas prominenteren Grünen mit starkem Berlin-Bezug den schnellen Umzug. Aber diese zu frühe Verlagerung der Parteizentrale wäre eine unheimliche Vergeudung menschlicher und finanzieller Ressourcen, die an anderer Stelle viel besser eingesetzt werden könnten.

Das klingt, als wolle die West- Sprecherin den Konflikt herunterreden. Prominente Ost-Grüne – Hans-Jochen Tschiche, Klaus- Dieter Feige – haben in jüngster Zeit die Arroganz ihrer westdominierten Partei beklagt.

Es geht nicht um Herunterreden. Tatsache ist doch, daß die Umzugsverschiebung vom Länderrat Ende Januar in Erfurt weitgehend einvernehmlich beschlossen worden ist – auch von den Ostdelegierten. Wir haben einen Ostländerrat. Der hätte ein Veto einlegen können, das ist aber nicht passiert. Zur Kritik von Tschiche und Feige: Ich begrüße es, daß der Osten sich stärker zu Wort meldet und darauf hinweist, wo spezifische Probleme liegen, die von West-Grünen übersehen werden. Aber bei beiden fehlt mir die inhaltliche Ausfüllung. Sie sollten genau benennen, wo denn die Probleme liegen, die vom Westen vernachlässigt werden. Aber wenn der wesentliche Beitrag der Kritiker aus dem Osten aus Ressentiments gegen den Westteil der Partei besteht, dann ist das einfach zu dürftig.

Warum war es nicht möglich, auf der Bundesdelegiertenkonferenz eine Erhöhung der Mitgliederbeiträge um eine Mark für den Osten zu beschließen?

Aber unser Haushalt beinhaltet doch ganz erhebliche Osthilfen. Fünfzig Prozent des Länderfinanzausgleichs der Partei, 250.000 Mark, sowie 340.000 Mark aus dem Solidartopf Ost II gehen in die neuen Länder. Das ist für eine Partei, die massive Finanzprobleme hat, eine ganze Menge Holz. Aber das ist noch nicht alles. Denn die Bundesdelegiertenkonferenz hat unserem Vorschlag zugestimmt, daß mit Blick auf die kommenden Wahlkämpfe von 1997 an zusätzlich die Gesamtsumme von einer Million Mark in die neuen Länder fließen soll. Das zu finanzieren wird nicht einfach.

Ist damit die Gefahr gebannt, daß Bündnis 90/Die Grünen aus allen ostdeutschen Landtagen fliegen?

Nein, diese Gefahr ist damit überhaupt nicht gebannt. Es wird entscheidend von der Politik abhängen, die auf Landesebene und auf lokaler Ebene gemacht wird. Zurück in die Landtage kommt man nur über die Landespolitik. Da kann man keine Patentrezepte auf Bundesebene stricken, die man dann dem Osten überstülpt. Interview: Hans Monath