Kaum Freizeit-Leidenschaft

■ Käufliche Gemütlichkeit ist der Freizeitspaß Nummer eins auf der „Freizeit aktiv“

Sollte die Fachausstellung „Freizeit aktiv“ als Barometer für die Freizeitvergnügungen der Deutschen taugen – dann ist höchste Nachdenklichkeit geboten. Nicht etwa, weil Einkaufen die Voraussetzung für jede Freizeitaktivität ist. Auch darf einer Verkaufsausstellung nicht vorgeworfen werden, daß sie ohne Semmeln, Weinprobe, Würstchen und Waffeln nicht auskommt. Aber was da unter dem Schlagwort „Freizeit“ alles im Angebot ist, das läßt vor allem auf einen Trend im deutschen Freizeitverhalten schließen: Die Krämerseele mit dem Hang zur käuflichen Gemütlichkeit ist auf dem Vormarsch. Vorbei sind die Zeiten simpler Gesellschaftsspiele. Anleitungen für selbstgebastelte Scheußlichkeiten scheinen ebensowenig gefragt wie jede Art geistiger Tüftelei. Von Sex und Erotik als Freizeitspaß keine Spur.

Stattdessen ist das Sortiment so vorzeigbar praktisch wie in jedem größeren Einkaufszentrum. Vom Wintergarten bis zur Weißbetonbalustrade reicht das Anbau-Angebot in Gartenhalle sechs. Der heimliche Renner ist das „Allwetterdach“. Angegrautes Mittelalter versammelt sich darunter und notiert die klappbaren Kunststofflamellen auf die Heimwerkerliste für diesen Sommer: luftig aber nicht zugig, hell aber nicht blendend, das besticht. Da hält selbst das Putzmittel vom Nachbarstand nicht mit, auch wenn es „Kinder und die Haut schont“ und zugleich den ganzen Wohnwagen zum Blitzen bringt.

Aktiver als hier geht es auch in den übrigen fünf Hallen kaum zu. Hinter Tischchen sitzen VerkäuferInnen von Klamotten, Taucherausrüstungen, Modellbausätzen – oder von kleinen und großen Urlauben. Die Eintrittskarte in die Freizeitwelt von heute kostet Geld, selbst die Bahnfahrt ins nahegelegene Münsterland. Noch heute hat die Vertreterin der Münsterländer Bauernhof-Ferien deshalb mit dem Sohn beratschlagt, ob sie überhaupt nach Bremen fahren solle. „Die haben im Radio gesagt, die Stadt ist pleite“, erzählt sie.

Von Pleite spricht der echte Goldgräber in der Mineralienhalle nicht. Dazu liegt zuviel teures Meteoritengestein und Gold vor ihm. Aber daß er wiederkommen wird, bezweifelt Kaspar von Wuthenau doch. Erst am zweiten Veranstaltungstag hat er sein erstes Nugget verkauft, und der Ausstellungsplatz unter Leuten, die „Billigschmuck und gefärbte Achatscheiben verkaufen“, mißfällt dem studierten Geologen. Das nächste Mal würde er lieber weiter weg fahren, wenn sich's nur lohnte. Und Lohnen – das fängt schon mit einem interessierten Publikum an. Dem würde er dann von den seltenen europäischen Schürfstellen im finnischen Lappland erzählen. Dort gebe es noch eine echte Goldwäscherkultur mit lauter bärtigen Männern mit Schlapphüten, erzählt der Hamburger Goldwäscher. Seine Gold-Waschmaschine ist käuflich zu erwerben, den Trick mit der Butter, an der die Diamanten haften bleiben, gibt er gratis obenauf. Wuthenau läßt die Frage offen, mit wem man bei der nächsten Freizeit aktiv über echte Freizeitleidenschaften palavern soll. ede

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