Pyrrhussieg zweiter Klasse

■ "Händler, Huren, Guerilleros": Heldenhaft kämpft "Spiegel TV"-Chef Stefan Aust für seinen Kubafilm - mit einer Kanonade einstweiliger Verfügungen.

Das Branchenblatt Kontakter sah schon eine neue „Kubakrise“ heraufziehen, aber noch wird nicht mit Atomraketen, sondern nur mit eidesstattlichen Versicherungen herumgefuchtelt.

„Spiegel TV“ hat gleich vier an der Zahl ausgestreut, um seine Kubareportage „Händler, Huren, Guerilleros“ vor Gericht zu verteidigen. Das Fernsehmagazin läßt per Gericht der Süddeutschen Zeitung die Behauptung verbieten, „,Spiegel TV‘ machte einen SZ- Redakteur zum Sextouristen und eine cubanische Photographin mal eben zur Prostituierten“. Und einige andere von dieser Sorte. Die taz hatte auch über den Film berichtet (Tagesthema vom 15. 2.) und moniert, daß er die Persönlichkeitsrechte des in ganz anderem Zusammenhang gefilmten Münchner Journalisten verletze – mit einer Montage aus harmlosen Bildern und eindeutig-zweideutigem Text („An diesem Abend entscheiden sich die beiden für eine gemeinsame Heimfahrt.“)

Beim Spiegel herrscht seitdem Unruhe. Vielleicht eine produktive. In weiten Teilen der Redaktion meint man, daß die vielgepriesenen Synergie zwischen gedrucktem und gesendetem Spiegel auch ihre Kehrseite hat: Imageprobleme des Boulevard-Fernsehmagazins wie die Bornaffäre oder der schlüpfrige Kubafilm färben auf das investigativ-seriöse Blatt ab. Nachdem Stefan Aust, in Personalunion Chef bei beiden, Günther Jauch „Kujauch“ genannt hatte, mußte er sich jetzt von der Wochenpost selber „Kujaust“ nennen lassen. Nicht wenige Spiegel-Redakteure fänden es deshalb besser (noch wird das hinter vorgehaltener Hand gesagt), wenn Aust die Leitung des Fernsehmagazins abgäbe. Oder die des Spiegel?

Um offene Kritik zu verhindern, schwenkt Aust jetzt die einstweiligen Verfügungen in der Luft herum, die ihm das Landgericht Hamburg verschafft hat, gegen Süddeutsche und taz. Doch das sind solche, die in der Branche „zweiter Klasse“ genannt werden: Wegen angeblicher Dringlichkeit wurden sie ohne mündliche Verhandlung und ohne die andere Seite zu hören, erlassen. Ein Vorgehen, für das die Pressekammer des Hamburger Landgerichts durchaus bekannt ist: Scientologen, stasibelastete Bundestagsmitglieder und Politiker jeder Couleur haben das immer wieder gern genutzt. Die SZ hat Widerspruch gegen die einstweiligen Verfügungen angekündigt, die taz wird dasselbe tun.

Vorerst darf die taz zwei Sätze nicht wiederholen – auch nicht an dieser Stelle. Eins allerdings ist uns – noch? – nicht verboten: Auf die schmierige Ebene hinzuweisen, auf die sich „Spiegel TV“ dabei begeben hat. So heißt es in der eidesstattlichen Versicherung des Kameramanns: „In einer späteren Nacht, so erklärte sie (Anita Corrales, d.Red.) mir gegenüber, habe es dann aber ,geklappt‘“. Die Dolmetscherin des TV-Teams schreibt an Eides Statt, Hohmann habe „Lust auf ein intimes Treffen“ mit der Kubanerin geäußert. Und Redakteur Geiges: „Vor der Tür erklärte Hohmann Frau Corrales, daß er den Rest der Nacht mit ihr verbringen möchte.“ Was „Spiegel TV“ mit diesen Aussagen suggerieren möchte, darf die taz leider zur Zeit – bis zur Gerichtsverhandlung – nicht schreiben. Es bleibt der Phantasie der geneigten Leserschaft überlassen. Michael Rediske