CDU und PDS einig gegen „Zwangsvereinigung“

■ SPD will zum 50. Jahrestag der SED-Gründung der Opfer aus ihren Reihen gedenken

Bonn (taz) – Der CDU-Generalsekretär war prompt zur Stelle. Kaum hatte die SPD gestern ihr Gedenkprogramm zum 50. Jahrestag der Vereinigung von Ost-SPD und KPD vorgestellt, zog Peter Hintze eine historische Parallele zwischen der Gründung der SED in Berlin im Jahre 1946 und der Bildung einer Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt im Jahr 1994. Die den „Feinden der Demokratie“ zugeneigte SPD betreibe Geschichtsklitterung: Sie wolle die „deutliche Zustimmung aus den eigenen Reihen“ zur Vereinigung mit den Kommunisten nicht wahrhaben und spreche deshalb von einer „Zwangsvereinigung“.

Hintzes Polemik ist nur das aktuellste Beispiel für den seltsamen Gleichklang in den Angriffen von PDS und Union auf die Interpretation der Nachkriegsgeschichte durch Historiker und SPD-Politiker. Konservative Politiker und die Historikerkommmission der SED- Nachfolgepartei bestreiten gleichermaßen, daß die Verschmelzung der SPD mit der KPD sich als „Zwangsvereinigung“ vollzog.

Die Sozialdemokraten provozieren deshalb Streit, wenn sie mit einer Reihe von Veranstaltungen der Auslöschung ihrer Partei im Osten und der Opfer aus den eigenen Reihen gedenken wollen. Aber aus taktischen Überlegungen, so sagte der stellvertretende SPD-Chef Wolfgang Thierse gestern mit Blick auf die PDS, werde seine Partei auf die historische Wahrheit nicht verzichten.

Die Autoren einer neuen SPD-Broschürenreihe zur Geschichte der Vereinigung verwenden nicht alle den Begriff „Zwangsvereinigung“. Laut Wolfgang Thierse sind sie sich aber in der grundsätzlichen Beurteilung einig. Danach handelte es sich um eine „mit Täuschung, Zwang und Repression durchgesetzte Vereinigung, die der breiten Mehrheit der Mitgliedschaft sowie der Akteure selbst keine freie Wahl ließ“. Der Parteivize selbst hält den Terminus „Zwangsvereinigung“ für zutreffend.

In dieser Einschätzung sieht er sich durch neuere Forschungen bestätigt. Zu keinem Zeitpunkt, so faßte Wolfgang Thierse deren Ergebnisse zusammen, habe es innerhalb der SPD-Mitgliedschaft eine Mehrheit für die Parteivereinigung gegeben.

Angriffe wie die Hintzes machen es den Sozialdemokraten des Jahres 1996 aber offensichtlich schwer, sich zu Gemeinsamkeiten mit der KPD in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu bekennen. Wer die Spaltung der Arbeiterbewegung zur eigentlichen Erfolgsursache des Nationalsozialismus erklärte, aber mußte 1945 ein Interesse an deren Überwindung haben.

„Natürlich gehört es zur historischen Wahrheit, daß auch Sozialdemokraten 1945/46 von der Einheit der Arbeiterbewegung geträumt haben“, räumte Thierse gestern ein und verwies dann auf den grundlegenden Unterschied zur KPD: „Aber 1946 hat die Mehrheit der Sozialdemokraten begriffen, daß die Einheit der Arbeiter nur dann sinnvoll ist, wenn sie demokratisch ist.“

Auf der zentralen Gedenkveranstaltung der SPD am 20. April in Berlin soll Parteichef Oskar Lafontaine sprechen. Auch den Autor einer Erklärung der PDS-Historikerkommission zur SED-Gründung hatte die SPD zum Streitgespräch geladen. Aber Günter Benser wollte nicht diskutieren. Thierses Urteil: „Ängstlich bis feige.“ Hans Monath