Rauchende Schornsteine um jeden Preis

■ Bonner Opposition kritisiert Kohls Aktionsprogramm für Beschäftigung: Die Regierung betrachte den Umweltschutz noch immer als wirtschaftsschädigend. Antrag der Grünen zum Solidaritätszuschlag gescheitert

Bonn (taz) – Die Bonner Opposition hat der Bundesregierung völliges Versagen vor der ökologischen Herausforderung vorgeworfen. Die Ökologie komme im Aktionsprogramm für Beschäftigung nicht vor, kritisierten SPD-Chef Oskar Lafontaine und die Bündnisgrüne Marieluise Beck bei der Bundestagsdebatte über das Bündnis für Arbeit. Lafontaine nannte es fatal, daß die Koalition den Umweltschutz noch immer als einen Politikbereich begreife, der der Wirtschaft schade. Marieluise Beck warf der Koalition vor, sie verweigere sich hartnäckig der Einführung der Ökosteuer. Statt mit einem Teil des Ökosteueraufkommens die Lohnnebenkosten zu senken und damit Beschäftigung zu schaffen, betreibe die Koalition eine stete Politik der antiökologischen Steuer.

Vollmundige Versprechungen zur Halbierung der Arbeitslosenquote könnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Krise der Arbeit nicht durch Wachstum gelöst werden könne, sagte die Grünen- Abgeordnete. Vielmehr müßten Politik und Gesellschaft wählen zwischen dem „Viel für wenige“ und dem „Weniger für alle“. Nur durch Umverteilung der Arbeit lasse sich die Krise des Sozialstaates lösen.

Lafontaine hielt in seiner ersten Bundestagsrede als SPD-Parteichef der Koalition vor, sie glaube selbst nicht an die eigenen Vorschläge, da sie trotz ihrer Ankündigungen zur Steuersenkung und zum Sozialabbau in diesem Jahr von weiter steigenden Arbeitslosenzahlen ausgehe. Seit Jahren lege die Regierung ähnlich wirkungslose Programme vor, die mit Steuersenkungen, Sozialabbau und einer verfehlten Umweltpolitik stets die gleichen Rezepte enthielten.

Finanzminister Theo Waigel (CSU) schrieb seiner Regierung dagegen die Leistung zu, in den vergangenen Jahren drei Millionen Arbeitsplätze geschaffen zu haben. FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms wehrte sich gegen den Vorwurf einer unsozialen Politik. Mit Blick auf den Widerstand der Länder bei der Finanzierung des Solidaritätszuschlages warnte er, die Ministerpräsidenten dürften sich nicht „wie die Strauchdiebe“ benehmen.

Lafontaine und Grünen-Fraktionschef Joschka Fischer hatten zuvor die Senkung des Soli-Zuschlags schon 1997 als Wahlkampfhilfe zugunsten der FDP kritisiert. Dies gehe allein zu Lasten der Länder und sei nicht solide finanziert. Fischer bezog sich auf Zeitungsberichte, wonach sich Unionsabgeordnete in der Soli-Frage von der FDP „erpreßt“ fühlten. Danach hätte die FDP den Jahreswirtschaftsbericht blockiert, wenn die Union nicht auf ihre Forderungen eingegangen wäre. Die Grünen scheiterten aber mit ihrem Antrag, den Soli-Zuschlag nur „in dem Maße schrittweise zurückzuführen, wie der Aufbau Ost vorankommt“. Auch der SPD- Antrag zur vorrangigen Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten zum 1. Juli 1996 kam nicht durch. Hans Monath Tagesthema Seite 3, siehe auch Seite 2