Sparen und Lügen

■ Falsche Versprechen gestern im Bundestag

In der Union wurde noch am Mittwoch laut über den unverschämten Koalitionspartner FDP und dessen Zumutungen um den Solidarzuschlag geschimpft. Gestern, einen Tag später, stimmte die Koalition im Bundestag für die bislang nicht finanzierte Soli-Absenkung – ein schlagender Beweis dafür, daß die Entscheidung nicht aus Sorge um Arbeitsplätze, sondern aus schierer Angst ums politische Überleben gefällt wurde.

Viel mehr als dieser berechtigte Vorwurf und eine pauschale Schuldzuweisung an die Regierung ist der größten Oppositionspartei zum Thema Arbeit gestern allerdings nicht eingefallen. Die Sozialdemokraten stecken in dem taktischen Dilemma, daß die ihnen nahestehenden Gewerkschaften beim nötigen Sparen und beim Umbau des Sozialsystems mitentscheiden wollen – und sich dafür von der Regierung in die Verantwortung einbinden lassen haben. Daran ändert auch die laute Kritik des DGB am Aktionsprogramm der Regierung nichts.

Die Gewerkschaften haben damit ein Signal gesetzt, zu dem sich die SPD nicht aufraffen kann: Es geht um den Nachweis, daß nicht nur in Zeiten der Verteilung steter Zuwächse die sozialpartnerschaftliche Kooperation ein für die ganze Gesellschaft vorteilhaftes Modell darstellt, sondern daß diese geteilte Verantwortung auch in Zeiten des Sparens funktioniert.

Dazu muß man den eigenen Leuten freilich viel zumuten. Die SPD verlangt aber Vollbeschäftigung, die nichts kostet. Die Koalition hingegen behauptet, Wirtschaftsankurbelung, ein Abbau der Staatsquote sowie Steuersenkungen würden im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit helfen. Und plant erst für die Zeit nach den Landtagswahlen die wirklich harten, schmerzhaften Schnitte. Dabei ist absehbar, daß auch zehn Prozent Wirtschaftswachstum in Zukunft keine Vollbeschäftigung mehr garantieren, weil Automatisierung und Rationalisierung immer mehr Menschen „freisetzen“. Konzepte zu einer neuen Verteilung und Bewertung knapper werdender Arbeit haben im Bundestag aber nur die Bündnisgrünen angeboten.

Unionsfraktionschef Schäuble hat gestern schon angedeutet, wo später Schuldige für das eigene Scheitern gesucht werden: Bund, Länder und Gemeinden müßten mithelfen, damit das ehrgeizige Ziel der Halbierung der Arbeitslosigkeit erreicht werde. Zu deutsch: Kritik wird als Miesmachen gedeutet. Eine neue Lüge in den Zeiten des Sparens zeichnet sich ab. Hans Monath