Bundesländer verwaigeln Solidarität

■ Bundesländer wollen Wahlhilfe für die FDP nicht bezahlen: Auch CDU-Ministerpräsidenten lassen Waigel bei der Reduzierung des Soli-Zuschlags im Regen stehen

Bonn (taz) – Die vollmundigen steuerpolitischen Versprechungen der Bundesregierung drohen am Widerstand der Bundesländer zu scheitern. Die Länder sollen nach dem Willen der Koalition das teure Geschenk an die Liberalen – den Abbau des Solidaritätszuschlags – aus ihren Etats ausgleichen. Finanzminister Theo Waigel (CSU), der sich nach langem Drängen der FDP sieben Wochen vor den Landtagswahlen zu einer Kürzung des Solidaritätszuschlags um zwei Prozent im nächsten Jahr bereit erklärt hatte, drohte den renitenten Länderfinanzministern gestern, er werde die Länder bei den anstehenden Finanzverhandlungen im Frühjahr unter Druck setzen. „Dies wird ein großes Paket“, sagte Waigel.

Nicht nur sozialdemokratische Landespolitiker, sondern auch CDU-Ministerpräsidenten aus den neuen Ländern und sogar CSU-Politiker reihten sich gestern in den Chor der Kritiker ein. Die SPD-geführten Länder wehren sich dagegen, die mit dem Abbau des Soli-Zuschlags sinkenden Bundeseinnahmen auszugleichen. „Mit uns geht da gar nichts“, kündigte der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder an. Er warnte davor, die Bundesregierung wolle nach den Landtagswahlen im März die Mehrwertsteuer erhöhen, „um sich die Ausfälle wieder hereinzuholen“. Ähnliche Befürchtungen äußerte Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe (SPD). Er sprach von einem „Einstieg in die Volksverdummung“. Auch die Regierungschefs von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, Bernd Seite und Eberhard Diepgen (beide CDU), kritisierten, daß die Soli-Rückführung auf Kosten ihrer Kassen gehen solle. Selbst die bayerischen Parteifreunde Theo Waigels stellen sich in der Solidaritätszuschlagsentscheidung gegen den Bundesfinanzminister. Der CSU-Fraktionschef Alois Glück bezweifelte, daß die Entscheidung umgesetzt werden könne. Bayerns Finanzminister Erwin Huber (CSU) erklärte, es gebe wenig Spielraum, die Soli- Beschneidung auf Kosten der Länder zu finanzieren.

Glück bewies gestern auch gute Kenntnisse der Bonner Bühne. Er sprach von einem „typischen Koalitionskompromiß“, über den nun verhandelt werden müsse. Die FDP sei „hochnervös“ und habe als „eine zur Panik neigende Partei“ Dinge verlangt, die nicht gut begründbar seien.

Waigel und der CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble wehrten sich gestern gegen Vermutungen, die Koalition wolle nach den für die FDP so wichtigen Landtagswahlen im März die Mehrwertsteuer erhöhen, um Löcher im Haushalt zu stopfen. Entsprechende Warnungen Schröders nannte der Bundesfinanzminister einen „ungeheuerlichen Vorwurf“.

Unterdessen stellte die Bundesregierung gestern ihr „Aktionsprogramm“ für Investitionen und Arbeitsplätze vor. Das Kabinett geht dabei in diesem Jahr von einem Wachstum von 1,5 Prozent bei zehnprozentiger Arbeitslosigkeit aus. In der Sozialpolitik sieht das Programm unter anderem Einschränkungen bei der Frühverrentung, eine Verkürzung der Regeldauer von Kuren auf drei Wochen und eine Verringerung der Arbeitslosenhilfe um jährlich drei Prozent vor. Hans Monath

Siehe auch Seiten 4 und 6