"Ohne Schnickschnack"

■ Heute um 19.30 Uhr startet arte das Europamagazin "7 1/2" mit einer deutsch-französischen Redaktion. Im Interview: Chefredakteurin Sabine Rollberg

taz: Nach „Monitor“, „Panorama“, „Spiegel TV“ und unzähligen anderen Politmagazinen jetzt auf noch auf arte ein Europamagazin, mit dem nicht gerade zugkräftigen Titel „7 1/2“. Wie wollen Sie die Zuschauer locken?

Sabine Rollberg: Der Titel ist bewußt nicht marktschreierisch und knüpft an unsere Nachrichtensendung „8 1/2“ an – ohne Schnickschnack, ohne Präsentator. „7 1/2“ ist auch kein investigatives Magazin wie „Monitor“ oder „Spiegel TV“, sondern wir senden täglich von Montag bis Donnerstag und knüpfen darum an die Tagesaktualität an. Aber wir nehmen uns auch heraus, mal einen Tag zu warten, um dann mit etwas Abstand nach-, vor- oder querzudenken. Und zwar nicht aus dem nationalen Blickwinkel, den wir uns in Europa doch gar nicht mehr leisten können. Wir müssen einfach wissen, was die anderen machen, welche Ideen sie haben, welche Lösungen sie ausprobieren.

Wird denn von den Zuschauern der supranationale Blickwinkel angenommen? Arte hat ja damit zu kämpfen, daß es in Deutschland als zu französisch und in Frankreich als zu deutsch gilt.

Sicher ist das für einen Teil des Publikums ein Problem. Aber in einem zusammenwachsenden Europa gibt es auch immer mehr Menschen, die wissen wollen, wie ihre Nachbarn denken und warum.

Leisten das andere Magazine nicht?

Das schon, aber da berichten immer deutsche Korrespondenten, und sie brauchen immer den deutschen „Aufhänger“ für die Geschichte – sonst interessiert's die Redaktion nicht. Die Erfahrung habe ich als ARD-Korrespondentin in Paris selbst gemacht.

Sind es nicht die Zuschauer, die allzu leicht abschalten, wenn man ihnen nicht sagt, warum das Thema gerade sie angeht?

Das sagen wir ihnen in der Moderation...

...eine Woche auf deutsch, mit Désirée Bethge, die zweite Woche auf französisch. Die jeweils andere Sprache wird von einem Simultansprecher drübergelegt. Überfordert das die Zuschauer nicht?

Wir arbeiten ja mit einer binationalen Redaktion, die hilft den Moderatoren dabei, das jeweils andere Publikum anzusprechen. Wenn's um die Sozialpläne von Ministerpräsident Juppé geht, müssen sie eben für die Deutschen etwas mehr erklären – ohne die Franzosen zu langweilen.

Die Texte sind in beiden Sprachen identisch?

Die Moderation wird live simultan übersetzt. Bei den Filmbeiträgen adaptieren wir den Text, das heißt, wir fügen manchmal auch etwas hinzu, um das Verständnis zu erleichtern.

Trotzdem: Ist Fernsehen nicht auch bei arte eher ein Spiel mit als ohne Grenzen? Die französische Journalistin Isabelle Bourgeois, die sich in beiden Ländern gut auskennt, hat kürzlich geschrieben, arte würde die gegenseitigen Klischees eher bestätigen als beheben. Die französischen Beiträge gälten in Deutschland oft als „kapriziös, verschnörkelt und seicht“. Umgekehrt hält man die deutschen Beiträge in Frankreich für „lahm und schulmeisterhaft“.

Im Ansatz hat sie damit recht. Alfred Grosser sagt, wir Deutschen hätten die Tendenz, die negativen Seiten Deutschlands auf arte zu verbreiten, mit zu vielen Beiträgen über Neonazis, daß man in Frankreich den Eindruck bekommen konnte, das Land bestehe nur aus Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit. An dieser These ist was dran. Sie bezieht sich aber gerade auf die Beiträge, die nicht von unserer Redaktion in Straßburg kommen, sondern die zugeliefert werden – von ARD und ZDF einerseits, vom französischen Partner La Sept andererseits: Themenabende, Dokumentationen, Fernsehspiele. Hier in Straßburg klopft man sich zwischen Deutschen und Franzosen ständig gegenseitig auf die Finger und sagt: Hier sitzt du wieder mal einem Vorurteil auf.

Sollten besser die Deutschen über französische Themen und die Franzosen über deutsche berichten?

Das ist genau unser Ansatz. Da unsere zehn Redakteure und Redakteurinnen alle fast perfekt zweisprachig sind, geht das auch ganz gut.

Zehn? „Focus TV“ will auf Pro 7 mit 15 Leuten starten – für nur eine Sendung pro Woche.

Keine Frage, wir sind völlig unterbesetzt. Aber wir kompensieren das mit unglaublichem Engagement und Selbstausbeutung – aber bei arte gab es schon immer ein ganz anderes Arbeiten als in den klassischen Sendeanstalten.

Arte hat in Deutschland einen Marktanteil von 0,7 Prozent. Er ist im letzten Jahr ein wenig angestiegen, aber selbst die neuen Spartenkanäle ziehen an arte vorbei.

Trotzdem hat arte eine gute Perspektive. Immer mehr Menschen sind der ständigen Berieselung und Oberflächlichkeit müde, sie wollen auf intelligente Weise informiert und unterhalten werden. Bisher konnten viele von denen arte nicht sehen, weil sie sich bewußt keine Satellitenschüssel und kein Kabel anschaffen wollten – aber die Neugier nimmt zu.

Die finden arte gut, aber werden sie sich wirklich vor den Fernseher hocken? Ist arte nicht doch Fernsehen für Leute, die nicht fernsehen?

Die Gefahr besteht. Denn die arte-Interessierten sind selber kulturell sehr aktiv, gehen ins Theater und sehen Fernsehen größtenteils immer noch als Zeitverschwendung an. Aber diese Menschen leben nicht alle in der Großstadt und haben nicht unbedingt Zugang zu den großen Kulturveranstaltungen – vielleicht auch nicht soviel Geld. Immer mehr Menschen entdecken da die Alternative, sich das via Fernsehen ins Haus zu holen. Interview: Michael Rediske