■ CompuServe erneut im Fadenkreuz des Staatsanwalts
: Hilflose Intervention

Ernst Zündel, so heißt seine Adresse im Internet, und der Mann heißt tatsächlich so. Ein Glück für die Staatsanwaltschaft, daß er Deutscher ist – nur deshalb kann sie das Verfahren gegen einen der aggressivsten Auschwitz-Leugner einleiten. Er verbreitet von Kanada aus seine rechtsextremen Schriften, in denen er zum Beispiel „nachweist“, daß es gar keine Gaskammern gegeben habe. Über das Computernetz Internet vervielfältigt er sein Material derart inflationär, daß es auch bei der Staatsanwaltschaft angekommen ist, die jetzt völlig zu Recht gegen ihn ermittelt.

Allerdings wird auch gegen die Telekom-Tochter T-Online und die deutsche Vertretung der Firma CompuServe der Vorwurf erhoben, Beihilfe zur Volksverhetzung betrieben zu haben. Beide bieten den Zugang zum Internet an und damit auch zu den Schriften von Zündel. Bereits vor einigen Wochen war wegen der Verbreitung von Kinderpornographie gegen CompuServe ermittelt worden. In dieser Logik müßte jeder öffentliche Anbieter einer Technologie verklagt werden, mit der Schaden angerichtet wird. Es ist aber nicht nur hilf-, sondern auch aussichtslos, das Internet über die Anbieter der Technik kontrollieren zu wollen. Fast scheint es so, als sehne sich die Staatsanwaltschaft nach jemand Greifbarem. Und wenn Zündel in Kanada sitzt, dann richtet sie sich gegen die in Deutschland ansässigen Anbieter. Aber damit trägt sie den Möglichkeiten den Netzes keine Rechnung. Es zeichnet sich ja gerade durch tausend verschlungene Pfade der Informationsübermittlung aus. Dem ist mit den geltenden Gesetzen nicht beizukommen. Und schon gar nicht mit dem nationalen Recht. Wir können hierzulande rechtsradikale Propaganda nicht nur von Deutschen lesen. Und BürgerInnen etwa der USA könnten nach ihrem Recht nicht für die Verbreitung der Auschwitz-Leugnung belangt werden.

Dem „freien Informationsfluß auf der Datenautobahn Internet“ steht die Staatsanwaltschaft hilflos gegenüber. Das mag bei manchen offene und bei anderen klammheimliche Freude auslösen. Dieser Informationsfluß wirft aber auch sämtliche Regeln über den Haufen, auf die sich Staaten und Gesellschaften geeinigt haben. Die ersten beiden Fälle von hilfloser staatlicher Intervention zeigen, daß die Diskussion über Informationsfreiheit, Minderheitenschutz und Demokratie bei den neuen Informationstechnologien genauso überfällig ist wie der Blick über den nationalen Tellerrand. Karin Gabbert