Fernsehwerbung für 50 Mark

■ Für die Wahlkämpfer in Palästina waren die Chancen, in den Medien zu erscheinen, ungleich verteilt

Videokamera, Recorder und Minisender in der Garage und eine Antenne auf dem Dach. Fernsehen zu machen, bedarf es wenig. Vorausgesetzt, man braucht keine Lizenz. Und da war Palästinas Autonomiebehörde in den letzten Wochen großzügig – jedenfalls während des Wahlkampfes, als Wahlbeobachter und Journalisten aus aller Welt nach Nablus, Hebron und Gaza schauten. Und so konnten sich in den letzten Wochen nicht weniger als 16 private TV-Stationen entwickeln. Sie heißen asch-Schaab TV, al-Fatah TV oder auch, anspruchsvoll, NBC – für Nablus Broadcasting Corporation –, und empfangen kann man sie nur im Umkreis von wenigen, manchmal nur einem Kilometer. Aber immerhin, vor allem im Norden des Westjordanlandes, wo das offizielle Fernsehen der Palestinian Broadcasting Corporation (PBC) die meisten Ortschaften nicht erreicht, haben findige Geschäftsleute pünktlich zum Wahlkampf das Lokal-TV als neuen Investitionszweig entdeckt.

Vermögendere Kandidaten leisteten es sich da schon mal, eine Stunde auf Nablus-TV zu kaufen, wo die Übertragung ihrer Wahlkampfveranstaltung in der abendlichen „Supertime“ 2.000 Schekel (rund 1.000 Mark) kostete. Wer soviel nicht hatte, ließ bei asch- Schaab TV eine Woche lang, fünfmal am Tag, sein Foto und eine Tafel mit Lebenslauf und politischem Kurzprogramm einblenden, unterlegt von ägyptischen Songs – das Ganze für umgerechnet 50 Mark.

Ob die kleinen Privatsender von Dauer bleiben, steht in den Sternen. Ihre Chefs haben da keine großen Hoffnungen, wenn erst der Medienbereich gesetzlich geregelt wird – auch wenn man ihnen zugesagt hat, sie könnten wenigstens für ein paar Monate weitersenden. Schon bald wird nämlich der offizielle Sender PBC das ganze Westjordanland erreichen, und ob dann Konkurrenz noch geduldet wird? Wohl nicht zufällig konnten im Gazastreifen und in Jericho bisher keine Privatstationen entstehen.

PBC jedenfalls ist fest in der Hand von Arafat. Bis kurz vor Schluß des Wahlkampfes kam seine Gegnerin Samiha Khalil dort kaum ins Bild, geschweige denn zu Wort. Das geht aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ hervor, die im Auftrag der Europäischen Union den Zugang der Kandidaten zu den Massenmedien beobachtete.

Die oppositionellen Parteien konnten zwar im PBC-Radio ihre Spots senden, die Kommission von „Reporter ohne Grenzen“, die mit 15 Leuten rund um die Uhr an den Geräten saß, zählte aber in der letzten Woche für keine der Parteien mehr als 30 Minuten, während Arafats Fatah weit über zwei Stunden belegen durfte. Ein ähnliches Verhältnis zeigte sich in den arabischsprachigen Medien Israels.

Auch die Vorschrift, daß am Tag vor der Wahl keine Propaganda mehr gemacht werden durfte, durchbrach PBC zugunsten Arafats: Ein vierminütiger Videoclip zu seinem Ruhme wurde am Freitag gleich dreimal gesendet. Michael Rediske