Aus für das „fakultative Fechtprinzip“

■ In Hannover gründete sich am Wochenende ein neuer Verband deutscher Burschenschaften. Auch Kriegsdienstverweigerer und Ausländer sind hier willkommen

Hannover (dpa) – Ausländer und Zivildienstleistende fanden bisher keine burschenschaftliche Heimat in deutschen Landen. Das soll nun anders werden. Am Samstag wurde aus diesem Grund in Hannover die „Neue Deutsche Burschenschaft“ ins Leben gerufen. Die Gründer des neuen Studentenverbands wenden sich explizit gegen Rechtstendenzen bei der traditionsreichen „Deutschen Burschenschaft“.

Nach den Worten ihres Sprechers Carsten Zehm streben sie „eine zeitgemäße Interpretation des Vaterlandsgedanken“ an. Die territoriale Einheit Deutschlands sei für den neuen Studentenverband mit der Wiedervereinigung Deutschlands und den völkerrechtlich verbindlichen Verzicht auf alle Gebiete jenseits der heutigen Bundesrepublik erreicht.

Der Verdacht brauner Umtriebe lastet seit längerem auf den Burschenschaften an deutschen und österreichischen Universitäten. „Immer mehr Burschenschafter vertreten ganz offen rassistisches und neofaschistisches Gedankengut und fordern die Wiederherstellung des Großdeutschen Reichs von Königsberg bis Südtirol“, hieß es unlängst in einer Analyse des Marburger Informationszentrums für Rassismusforschung.

Im Streit um diese rechtsextremen Tendenzen haben sich nun 2.200 Mitglieder mit der neuen Organisation vom Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ abgespalten. Ganz bewußt wollen sich Korporationen von Berlin bis Stuttgart nun von den erzkonservativen Verbänden absetzen. „Das letzte Alarmzeichen war für uns, daß demnächst die Wiener Akademische Burschenschaft Olympia den Verbandsvorsitz übernimmt. Dieser Bund hat eindeutig rechtsradikale Züge“, sagte Zehm. So seien Sympathien der Wiener für „deutschnationalen“ Terror in Südtirol erkennbar.

Im Gegensatz zu bisherigen Burschenschaften können auch Ausländer und Wehrdienstverweigerer in den Korporationen des neuen Verbandes Mitglied werden. „Die zeitgemäße Interpretation des Vaterlandsgedankens“ ist ein zentrales politisches Anliegen, hieß es in Hannover.

Bei der alten „Deutschen Burschenschaft“ wird die Neugründung mit Unverständnis beobachtet. Der Dachverband hat nach eigenen Angaben derzeit 18.000 Mitglieder in 120 Korporationen, davon gut 15.000 Nichtaktive, sogenannte Alte Herren. Der neugegründete Verband rechnet in der nächsten Zeit mit einigen tausend neuen Mitgliedern aus den alten Reihen.

Götz Heller, Sprecher der alten „Deutschen Burschenschaft“, lehnt liberalere Tendenzen bei der Mitgliederwerbung dennoch ab: „Die Aufnahme von Zivildienstlern ist gegen unsere Traditionen als waffenstudentischer Verband.“ Daran wollten die Verbände wegen des „fakultativen Fechtprinzips“ nicht rütteln. Außerdem werde der Begriff Vaterland weiterhin „unabhängig von staatlichen Grenzen“ verstanden, meint Altburschenschaftler Heller. „Wir setzen uns für die freie Entfaltung des deutschen Volkes ein, auch in anderen Ländern. Eine Anschluß- mentalität hat bei uns aber keine Chance.“

Die Vorwürfe des Marburger Informationszentrums für Rassismusforschung, etliche Burschenschaften hätten sich zu einem Kartell mit faschistischen Ideen zusammengeschlossen, kann Altburschenschaftler Heller nicht nachvollziehen. Es könne zwar durchaus sein, daß es rechtsradikale Äußerungen von Mitgliedern der „Deutschen Burschenschaften“ gegeben habe, „in welchen Kreisen das war, weiß ich aber nicht“. Werner Herpell