Kinkel: Kein Vetorecht für CSU

■ Außenminister hält die Zeit reif für deutsch-tschechische Versöhnung und will Konsens mit Sudetendeutschen

Bonn (taz) – Keine Abhängigkeit, aber bewußte Rücksichtnahme – auf diese Formel hat Außenminister Klaus Kinkel (FDP) sein Verhältnis zur CSU und zu den Vertriebenenverbänden bei den Bemühungen über eine Beendigung alter deutsch-tschechischer Streitfragen gebracht. Vor Journalisten bestritt Kinkel gestern, daß CSU und bayerische Landesregierung einen Durchbruch bei den Verhandlungen zwischen Bonn und Prag blockieren könnten: „Da gibt es kein Vetorecht.“ Er verstehe aber, daß der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), der sich als „Patronatsherr“ der Sudetendeutschen sehe, „da seine Probleme hat“.

CSU-Politiker und sudetendeutsche Funktionäre hatten Kinkel aufgefordert, die Unterredungen mit Prag über eine gemeinsame Erklärung beider Parlamente zur Geschichte und einer gemeinsamen Stiftung bis zu den Parlamentswahlen im Nachbarland Ende Mai auszusetzen. Aus der Stiftung sollen vor allem tschechische NS-Opfer sowie Vertriebene entschädigt werden. Kinkel will nicht bis nach der Wahl warten. „Ich möchte diese deutsch- tschechische Vereinbarung bald hinbekommen, und ich glaube, daß die Zeit reif ist“, sagte er kurz vor einem Treffen mit seinem tschechischen Kollegen Zieleniec.

Kinkel räumte ein, daß Forderungen der Sudetendeutschen im deutschen Verhandlungsstandpunkt ihren Niederschlag finden. Er selbst unterhalte „engste Kontakte“ zum Chef der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Neubauer. Als Minister bemühe er sich, „im Konsens“ mit der Landsmannschaft eine Lösung zu finden.

Ablehnend steht Kinkel offensichtlich der Prager Forderung gegenüber, wonach Bonn offiziell auf Entschädigungsansprüche verzichten soll. Der Minister kommentierte gestern das von den Bündnisgrünen vorgelegte Gutachten des Berliner Völkerrechtlers Christian Tomuschat, der keine rechtlichen Hinderungsgründe für einen solchen Verzicht sieht: „Eine Regelung der Eigentumsfrage auf der Grundlage des Tomuschat-Gutachtens halte ich nicht für möglich“, sagte er.

Über zunehmende Spannungen, wie sie sich im Hinauswurf des deutschen Dirigenten Albrecht aus der Tschechischen Philharmonie äußerten, zeigte sich Kinkel „unglücklich“. Dennoch seien die Beziehungen zischen Bonn und Prag „besser als ihr Ruf“. So sei die Phase der „Germanisierungsängste“ vorbei, obwohl in Tschechien heute ein Drittel der Investitionen aus Deutschland komme. Positiv äußerte sich Kinkel über öffentlichen Druck in der Bundesrepublik zugunsten einer Verständigung mit Prag: „Es sind nicht die schlechtesten Geister, die da drängen und drücken.“ Zieleniec sagte vor seinem Bonn-Besuch der tschechischen Nachrichtenagentur CTK, es wäre keine Niederlage der Prager Außenpolitik, wenn die gemeinsame Erklärung nicht bis zu den tschechischen Parlamentswahlen im Mai angenommen würde. Hans Monath