„Geregeltes Warteverhalten“ und andere Überwachungen im Vorzeigelager

■ Betreuer: Nicht Bespitzelungen, sondern Schlagzeilen darüber vergiften das Klima

Eigentlich hätte das Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Landsberg am Lech das Zeug zum Vorzeigelager. Hier ein Spielplatz, da eine Sporthalle und eine Fahrradwerkstatt, zwei Cafeterias, saubere Küchen und Waschgelegenheiten, dazwischen von Flüchtlingen gemalte Wandbilder, keine Spuren von Vandalismus – und alle grüßen sich freundlich. Zufriedene Gesichter. Ungewöhnlich für ein deutsches Flüchtlingsheim, was sich da in der ehemaligen Ritter- von-Leb-Kaserne am Rande der 23.000 EinwohnerInnen zählenden Stadt abspielt.

Ungewöhnlich war aber auch die Bespitzelung von Flüchtlingen, die Landsberg am Lech in die Schlagzeilen katapultierte. Um Schwarzarbeiter zu überführen, observierten Mitarbeiter der von der oberbayerischen Regierung bestallten Wachschutzfirma „BWS Sicherheitsdienst“ auch außerhalb des Geländes die Flüchtlinge. Zudem wurden die Ein- und Ausgangszeiten aller Flüchtlinge akribisch notiert.

Beides rief selbst den bayerischen Datenschutzbeauftragten auf den Plan, der gestern einen Mitarbeiter vor Ort nach dem Rechten sehen ließ. Und die Regierung von Oberbayern übte sich im geordneten Rückzug.

Zur Aufklärung des Sachverhaltes kann derzeit niemand beitragen. Regierungssprecher Karl Stadlmayr hat sowohl Heimleiter Rolf Cavelius als auch den BWS- Mitarbeitern und deren Chef einen Maulkorb verpaßt. „In allen Belangen, die den Bewachungsauftrag angehen, sind sie wie Angestellte der Regierung von Oberbayern zu behandeln, dürfen also der Presse keine Auskunft geben“, erklärt er umständlich, bevor er eine Genehmigung zur Besichtigung des Heimes erteilt. Tatsache ist, daß die BWS-Männer an der Pforte des

Landsberger Heims gestern keine Ein- und Ausgangszeiten der Bewohner registrierten. Lediglich die Besucher von außerhalb wurden „ganz nach Vorschrift“ im Besucherbuch notiert. „Abends nach 21 Uhr wurde immer eingetragen“, erinnert sich der Kosovo-Albaner Ebdel, „aber die BWS-Männer sind gute Menschen.“ Der Togoer Adem, der aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse im Gegensatz zu den meisten Bewohnern den Überwachungsskandal mitbekommen hat, nimmt die BWS- Männer ebenfalls in Schutz. „Mit denen gibt es keine Probleme. Sie sind immer schnell da, wenn wir sie brauchen.“

Für 80.000 Mark im Monat macht der BWS in Landsberg nicht nur den Pfortendienst. Die Männer von Thaddäus Chmiel fungieren als Hausmeister, übernehmen die Notaufnahme an Wochenenden, sorgen für „geregeltes Warteverhalten“ bei der Ausgabe von Taschengeld und Essen. Sollten sie die Mehrarbeit der Bespitzelung und der Ein- und Ausgangskontrolle ohne Auftrag von oben gemacht haben? „Wir achten hier strikt auf die Privatsphäre der Bewohner“, betont Gerhard Zelger, der stellvertretende Heimleiter. „Bei uns gibt es keine Zimmerkontrollen.“ Der 36jährige Sozialpädagoge ist stolz auf das, was in Landsberg möglich gemacht wurde. Seit Oktober 1993 leben gut 500 Flüchtlinge in der Kleinstadt, nie habe es Probleme gegeben. Statt dessen habe das Heim stets eine gute Presse gehabt. So konnten Flüchtlinge im Landsberger Tagblatt ihr Schicksal detailliert darstellen, um die Bevölkerung zu sensibilisieren.

Das ist gelungen. Die Kleider- und Spielzeugkammern des Heims sind bis zur Decke gefüllt, alles Spenden. Ob Fußballschuhe und Bälle für die Heimelf, ob Stangen für die Basketballkörbe, Bestuhlung für den Deutschkurs- Raum oder Schere, Kamm und Spiegel für den Friseurraum, alles haben die BürgerInnen dem Heim zur Verfügung gestellt. „Die Akzeptanz ist sehr groß“, betont Zelger. „Außerdem verwalten wir hier nicht, wir tun etwas dafür, daß die Menschen es hier angenehm haben.“ Als Beweis zeigt er Briefe von weggezogenen Flüchtlingen, die darin ihr Heimweh nach Landsberg zum Ausdruck bringen.

Auch Gabriele Zimmermann und Gail Brachwitz vom Sozialdienst der Diakonie rühmen die „Harmonie und die Atmosphäre des Vertrauens“, die im Landsberger Heim herrscht. „Hier wird weit mehr für die Flüchtlinge getan als anderswo.“ Gemeinsam mit Zelger finden sie es „entsetzlich, ganz fürchterlich und ungerecht“, daß ausgerechnet „ihr Heim“ jetzt bundesweit für Furore sorgt. „Der Sicherheitsdienst ist zum Schutz und nicht zur Überwachung der Flüchtlinge da“, mahnt Gabriele Zimmermann rasche Konsequenzen an. „Negative Schlagzeilen können das gute Klima vergiften.“

Gutes Klima herrscht allerdings schon länger nicht mehr zwischen der Diakonie und der örtlichen amnesty-international- Gruppe: Nachdem ai die Asylverfahrensberatung der Diakonie im Heim kritisiert hatte, bekamen einige ai-Mitglieder kurzerhand Hausverbot. Bernd Siegler, Landsberg