Futter für Rechte

■ Archivleiter schrieb Geleitwort: Stalin sei „mitschuldig“ am Rußlandfeldzug

Freiburg (taz) – Der Leiter des Militärarchivs Freiburg hat das Geleitwort zu einem Buch geschrieben, in dem behauptet wird, eigentlich sei Stalin genauso schuld gewesen am Rußlandfeldzug wie Hitler. Indem Archivleiter Manfred Kehrig das „Geleitwort“ zu diesem Buch schrieb, verleihe er dem Werk „eine offizielle Weihe“ – so jedenfalls der Vorwurf des Hamburger Historikers Klaus Naumann, Mitorganisator der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“.

Zur Erinnerung: Hitler hatte am 22. Juni 1941 das „Unternehmen Barbarossa“ gestartet, in dem die Wehrmacht in die Sowjetunion einfiel. Joachim Hoffmanns Werk mit dem Titel „Stalins Vernichtungskrieg 1941–45“ behauptet nun, Hitler sei mit seinem Krieg „nur durch Zufall“ Stalin zuvorgekommen. Der 65jährige Autor Hoffmann hatte selbst mehr als drei Jahrzehnte am Militärgeschichtlichen Forschungsamt gearbeitet. Das Amt untersteht dem Verteidigungsministerium.

In verklausulierter Sprache widmet sich Autor Hoffmann auch dem „Auschwitzproblem“ und betont, daß er für die „Gasangelegenheit“ letztlich keine Beweise habe finden können. Bei der Zahl von sechs Millionen ermordeter Juden handle es sich nur „um eine Zahl der Sowjetpropaganda“.

Im Freiburger Militärarchiv ist man inzwischen auf Tauchstation gegangen. Oberst a.D. Kehrig legt einfach den Hörer auf, wenn Journalisten anrufen. Sein Chef, der Präsident des Bundesarchivs Koblenz, Kahlenberg, hat die Äußerungen des Freiburgers als dessen „persönliche Meinung“ abgetan.

Manfred Messerschmidt, 18 Jahre lang leitender Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, hält die in dem Buch vertretene Präventivkriegsthese für „Humbug“. „Auf Kehrig werden sich künftig die rechtslastigen Propagandisten berufen, er wird ihre Zentralfigur sein.“ Kehrig behauptet, daß alle Antifaschisten in der alten Bundesrepublik moskauhörig waren. „Unter dem Banner des Antifaschismus versammelten sich all jene, die außer dem sowjetischen System nichts mehr gelten lassen wollten.“ Markus Grill