Tiefer Fall für den Zauberkönig von Mauritius

■ Premier Jugnauth, der dem Inselstaat 13 Jahre lang ein Wirtschaftswunder bescherte, hat jetzt die Wahlen haushoch verloren – Ergebnis ethnischer Konflikte

Port Louis/Berlin (taz) – Mauritius ist eine afrikanische Erfolgsstory. Die Wirtschaft wächst unablässig, das jährliche Pro-Kopf-Einkommen hat sich seit 1980 verdoppelt, es gibt regelmäßig freie Wahlen. Nun aber haben die Bürger die für das Wunder verantwortliche Partei aus dem Amt gefegt.

Bei den Parlamentswahlen vom Mittwoch siegte die oppositionelle „Arbeiterpartei“ MLP unter Navin Rangoolam haushoch über den seit 1982 regierenden Sir Anerood Jugnauth und seine eigentlich orthodox-liberale „Sozialistische Bewegung“ (MSM). Die MSM errang kein einziges der 60 Direktmandate. Es war ein Sieg des afrikanischen über das asiatische Element in der mauritischen Gesellschaft. Die MSM stützt sich auf die indischstämmige Bevölkerungsmehrheit; die MLP vertritt afrikanischstämmige Kreolen, Nachfahren der Sklaven auf den alten Zuckerplantagen. Seit dem Aufstieg der asiatisch beherrschten Textilindustrie und des Bankenwesens in den 80er Jahren gelten die Kreolen als Verlierer des Aufschwungs.

Seinen Fall verdankt der Hindu Jugnauth dem Projekt einer Schulreform. Zum Grundschulabschluß, schlug er im Sommer vor, sollten Kinder eine „orientalische“ Sprache wie Urdu, Arabisch, Marathi oder Chinesisch beherrschen. Die Kreolen protestierten, und am 27. Oktober verwarf das Verfassungsgericht die Reform als Bevorzugung asiatischstämmiger Kinder.

Jugnauth wetterte daraufhin gegen „obskure und diabolische Kräfte“ und verlangte eine Verfassungsänderung. Zugleich lehnte er eine von einer Parlamentskommission vorgeschlagene Mindestquote für katholische Kinder an katholischen Schulen ab. Es folgte heftiger politischer Streit. Als dann die kleine Sozialdemokratische Partei aus der Regierung austrat – ihr Führer Xavier-Luc Duval hatte sich mit seinem Vater Gaetan Duval zerstritten, der eine andere Partei des Regierungslagers anführt –, verlor Jugnauth seine Mehrheit; Neuwahlen wurden angesetzt.

Der Wahlkampf offenbarte die Schattenseiten des Wirtschaftswunders. Die Regierung solle einfach mehr Oberschulen bauen, anstatt ethnische Zulassungsbeschränkungen einzuführen, sagte die Opposition und kritisierte, daß die meisten kreolischen Kinder auf die schlechtesten und ärmsten Schulen gehen, deren Schüler zu 75 Prozent durch die Abschlußprüfung fallen. Jugnauth verwies demgegenüber auf die Interessen der „Mehrheit“, also der Inder. Einem seiner Berater wurden dann Kontakte zu Indiens faschistischer Hindu-Miliz RSS nachgesagt. „Immer wenn gewisse Politiker nach Indien reisen, lassen sie sich von der aufgeputschten Stimmung dort beeinflussen“, kommentierte ein einheimischer Journalist.

Wahlsieger Rangoolam muß jetzt die Mauritier versöhnen. Der Armenpriester Père Henri Souchon, eine der bekanntesten Figuren des Landes, ist da optimistisch: „Mauritius ist eine Art Rettungsboot, wo Leute aus fünf Kontinenten zusammenleben. Sie mögen sich nicht immer, aber sie wissen, daß sie von den Haien gefressen werden, wenn sie anfangen, einander zu bekämpfen.“ François Misser/

Dominic Johnson