Soldaten für den Frieden

Nirgends wird so gestritten wie in Deutschland: Im Gegensatz zu den Bündnisgrünen begrüßen Europas Grüne mehrheitlich die Beteiligung eigener Streitkräfte an der Friedenssicherung in Bosnien  ■ Aus Bonn Hans Monath

Der Bonner Weihnachtsfriede befällt auch solche Parteien, die keine christlichen Zusätze im Namen tragen. Im innerparteilichen Kampf der Bündnisgrünen um die Zustimmung von 22 Bundestagsabgeordneten zur deutschen Beteiligung an der Friedenstruppe für Bosnien ist deshalb eine befristete Waffenpause ausgebrochen. Spätestens auf dem Länderrat in Erfurt in wenigen Wochen aber wird die Parteilinke wieder drohen, die Fraktion an die Kette der Parteibeschlüsse zu legen.

So heftig wie die deutschen Grünen hat die Bosniendebatte keine ihrer europäischen Partnerorganisationen durchgeschüttelt. Die Mehrheit von ihnen befürwortet auch die Beteiligung eigener Streitkräfte an der von 29 Ländern getragenen „Implementation Force“ zur Sicherung des Friedens von Dayton.

Die Spaltung zwischen grünen Pazifisten und pragmatischen Realpolitikern in der Reaktion auf den Völkermord in Bosnien wiederholt sich im Nachbarland Belgien und trennt dort die beiden grünen Parteiteile Ecolo und Agalev. Die französischsprachigen Grünen von Ecolo haben auch mit friedensschaffenden UN-Einsätzen keine Schwierigkeiten, die flämischen Grünen von Agalev stehen dagegen in pazifistischer Tradition.

Im Gegensatz zu den deutschen Partnern, so sagt Ecolo-Außenpolitiker Philippe Lamberts, seien sich die beiden Parteiteile allerdings im Sommer in ihrer Forderung einig gewesen, die UN- Schutzzonen in Bosnien tatsächlich auch militärisch gegen die Aggressoren zu verteidigen.

Die belgischen Grünen-Abgeordneten kommen nicht in die Verlegenheit, über die Entsendung königlicher Friedenstruppen abzustimmen: Das Parlament muß in Belgien nicht gefragt werden, bevor das Militär in Marsch gesetzt wird.

Einstimmig billigen die fünf Mitglieder der holländischen Groenlinks-Fraktion die Teilnahme des eigenen Militärs an der internationalen Friedenstruppe. Ein UN-Kommando würden die Niederländer vorziehen, aber unter den gegebenen Bedingungen sei auch das Nato-Kommando akzeptabel, meint Groenlink-Koordinator Tom van der Lee.

In der 18köpfigen Fraktion der schwedischen Miljöpartiet de Gröna befürwortete eine Mehrheit die Beteiligung des schwedischen Militärs an der Sicherung des Friedens. Ähnlich wie in Bonn sind die beiden Sprecher der schwedischen Grünen im Reichstag aber unterschiedlicher Meinung.

Uneins sind auch die neun Abgeordneten der finnischen Schwesterpartei Vihreä Liitto. Fünf von ihnen befürworten die Teilnahme von rund 5.000 Soldaten des neutralen Landes an der Nato-Operation, vier stimmten im Parlament von Helsinki dagegen.

Bislang wenig über Dayton debattiert haben die Mitglieder der englischen Green Party, die nur rund 5.000 Mitglieder zählt und im Londoner Unterhaus bislang nicht vertreten ist. Die italienischen Grünen von der Federatione dei Verdi wollten sich bei der Parlamentsentscheidung über die Finanzierung des nationalen Bosnieneinsatzes enthalten – die Friedenstruppe selbst lehnen sie wegen des Nato-Kommandos ab, wie Außenpolitiker Silcio Francia erklärt.

Die österreichischen Grünen sperrten sich bislang gegen eine Beteiligung am Nato-Einsatz – aus historischen, neutralitäts- und außenpolitischen Gründen. Nichts einzuwenden hätten die Ökologen der Donau aber gegen einen reinen Blauhelmeinsatz. Einzelne Grüne verlangen aber eine Beteiligung der eigenen Truppen – als Zeichen der Solidarität für die Bosnier.

Johannes Voggenhuber, Europasprecher der Austria-Grünen, protestierte auch gegen eine Durchfahrgenehmigung seines Landes für jene Nato-Truppenteile, die in Ex-Jugoslawien den Frieden sichern sollen. Der Nato-Durchmarsch, so fürchtet er, würde die Neutralität seines Landes weiter aushöhlen. Die Austria-Grünen verdächtigen die Wiener Regierung, sie wolle schrittweise den Status der Neutralität aufgeben und nutze den Bosnienkonflikt nun geschickt aus.

Nicht mit der Zukunft Bosniens, sondern mit den finsteren Absichten der eigenen Bonner Regierung argumentiert auch die linke Mehrheit im Bundesvorstand der deutschen Grünen. Für Sprecher Jürgen Trittin haben die Abgeordneten der eigenen Partei im Bundestag gar nicht über die Umsetzung des Friedensvertrags von Dayton abgestimmt, sondern darüber, „ob die Grünen die künftige Großmachtpolitik der Bundesregierung mittragen“.

Praktische Nebenwirkung der Akzentverschiebung: Die Grundsatzdiskussion um die Legitimität militärischer Gewalt, in der die Mehrheit der deutschen Grünen mit ihrer Haltung in Europa kaum Partner finden, bleibt damit ausgeblendet. In Brüssel und Straßburg haben die deutschen Grünen für diese Auseinandersetzung schließlich wenig Verständnis zu erwarten. „Diese Diskussion“, so merkte der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit, „ist außerhalb Deutschlands nicht zu vermitteln.“