■ Das Portrait
: Die Atomgegnerin

Heute vor zehn Jahren um 10.35 Uhr wäre sie gerne draußen gewesen, im Wald. Sie hätte dann wie viele andere mit schweren Hämmern lange Nägel in die Baumstämme geschlagen, um den Motorsägen das Leben schwer zu machen. Doch Erna Wellnhofer war damals noch im Schuldienst. Dort hielt sie ihren Unterricht ab, doch in Gedanken war sie im Taxöldener Forst bei Schwandorf, wo am 11. Dezember 1985 mit dem Bau der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) Wackersdorf begonnen wurde.

10 Jahre Wackersdorf-Aktivistin: Erna Wellnhofer Foto: Uwe Schlegelmilch

Die Mutter dreier Söhne war damals Sprecherin der örtlichen Bürgerinitiative. Angst vor Strahlen trieb die eigentlich konservativ denkende 60jährige dazu, sich zum erstenmal in ihrem Leben politisch zu engagieren. Die Zaunkämpfe, die Gaseinsätze und Knüppelorgien der Polizei ließen in ihr die Erkenntnis reifen, daß letztlich die Demokratie dem Atomstaat weichen müßte. „Das friedliche Hüttendorf und die Gewalt dagegen ist für mich ein Schlüsselerlebnis gewesen.“

Lange war Erna Wellnhofer Herz und Seele der Anti-WAA-Bewegung, vor allem nachdem sie von ihrem Schulrat in Pension gedrängt worden war. Das war kurz nach Tschernobyl.

Von da an war ihr Zuhause nicht nur Anti-WAA- Büro, sondern auch Schlafplatz für viele Auswärtige. Jeden Sonntag, ob Ostern, Pfingsten oder Weihnachten, ging es zum Bauzaun. Ihr Sohn warf ihr einmal vor: „Du hast ja gar keinen Haushalt mehr.“ „Der Widerstand war eben Teil meines Lebens“, bekräftigt die robuste 70jährige heute verschmitzt. Erna Wellnhofer hat sich aber auch viele Feinde gemacht. Schließlich arbeitete sie eng mit denen zusammen, die von der CSU als Chaoten diskriminiert und in die Nähe von Terroristen gerückt worden sind. „Wenn ich zuvor einen Punk gesehen habe, habe ich gedacht: ,O Gott, hoffentlich tut er mir nichts.‘ Dann kam ich aber glänzend mit ihnen aus.“

Ende Mai 1989 brauchte Erna Wellnhofer „erst einmal etwas Luft“ und konzentrierte sich vorübergehend auf ihren kleinen Naturkostladen in Schwandorf. Jetzt mischt sie schon wieder in der Anti-Atom-Bewegung mit und engagiert sich außerdem für Flüchtlinge. „Ich will den jungen Leuten vermitteln, daß es etwas bringt, sich zu wehren.“ Am kommenden Sonntag ist sie wieder dabei, wenn der Waldspaziergang anläßlich des 10. Jahrestags des Rodungsbeginns stattfindet. Bernd Siegler