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: Keine Prügel für Kirch

Die Harald Schmidt Show, Dienstag, 23.00 Uhr, Sat.1

Harald Schmidt hat uns schwer beeindruckt. Neulich, als er mit seinem Kabarettprogramm in der Stadthalle auftrat und eine Wortkanonade abfeuerte, daß die Funken nur so stoben. Dagegen war seine Variante der handelsüblichen desk-and- sofa-show nur ein matter Abglanz des Originals. Die Optik stimmte erwartungsgemäß völlig überein mit David Lettermans „Late Show“. Aber bei Letterman sind im Vorspann schon die ersten beiden Pointen untergebracht, stets wechselnde Ansagen wie: „From New York – if you can talk here you can talk everywhere... And now – the First Lady of Broadway: David Letterman.“ Bei Schmidt blieb's beim mürben Witzversuch.

So wie Schmidts Hausband der Groove des „CBS Orchestra“ restlos abgeht – was Gaststar Bryan Ferry zu einem Tiefpunkt seiner Karriere verhalf –, fehlte der obendrein von vielerlei Pannen begleiteten Sendung das gewisse Etwas. Statt seine eigenen, unbestreitbaren Qualitäten auszuspielen, schlüpft Harald Schmidt in eine Rolle und kopiert Lettermans Gestik, seine Tics und Manierismen bis ins kleinste.

Aber Lettermans Unterhaltungswert basiert eben weit mehr noch auf seinem eigenwilligen Approach. Sein Humor, mokant bis zur Gemeinheit, macht vielleicht vor manchen Gästen halt, aber nicht vor der eigenen Person. Zudem legt er, seine Narrenfreiheit nutzend, immer wieder die Modi einer solchen Fernsehinszenierung offen, rüttelt an der Kamera, bringt durch seine spontanen Aktionen die Regie in Verlegenheit oder gestattet einen Blick hinter die Kulissen. Indem er vorsätzlich eine Kampagne anzettelte, einem unbekannten Tankstellenbesitzer namens Dick Assman zu landesweiter Popularität zu verhelfen, demonstrierte er sogar ganz beiläufig die Funktionalisierbarkeit der US-amerikanischen Medien.

Lettermans ganze Häme gilt, von der Washingtoner Politkamarilla einmal abgesehen, ausgerechnet seinem Arbeitgeber, dem CBS Network, das nur noch Rang drei in der Zuschauergunst einnimmt. Den Vorsitzenden des neuen CBS-Eigners Westinghouse forderte er wiederholt zum Boxkampf. Und genau das ist der Unterschied: Wenn Harald Schmidt in seiner eigenen Sendung bei Sat.1 Leo Kirch Prügel anzudrohen wagt – dann haben wir einen deutschen Letterman. Vorher nicht. Harald Keller