Dayton als Präzedenzfall

■ Was das Abkommen den Grünen abverlangt

Die Nerven flattern den grünen Kontrahenten im außenpolitischen Grundsatzstreit. Gleichsam in letzter Minute vor dem Parteitag wollte die Fraktion gestern noch ihre Haltung zur militärischen Sicherung des Dayton- Friedensabkommens mit deutschen Soldaten klären. Das Abkommen von Dayton ist ein Einzelfall, in Bremen geht es um die großen Linien.

Niemand wird Protagonisten der Friedensbewegung um die Aufgabe beneiden, die deutsche Mitwirkung an einem Friedensabkommen im Bundestag zu verweigern. Die Realos mußten sich eher bedeckt halten, weil vor Bremen nicht der Eindruck entstehen durfte, sie kümmerten sich nicht um Beschlüsse, die ihre Partei erst am Wochenende fällen will.

Dieses taktische Dilemma hat den Grünen gestern eine bittere Stunde im Bundestag beschert. Es ist trotzdem gut, daß es nicht aufgelöst wurde. Denn jeder Kompromiß hätte die Standpunkte für Bremen unscharf gemacht.

Der Parteitag wird versuchen, die Haltung der Fraktion zu einer Beteiligung am Dayton-Abkommen festzulegen. Die Umsetzung dieses Friedensabkommens ist ein Präzedenzfall, weil sich auch an ihm die Tauglichkeit grüner Programmatik beweisen muß. Wenn diese Programmatik so starr bleibt, daß sie die militärische Sicherung dieses Friedens verhindert, dann taugt sie nach 1989 eben nur bedingt für Friedenspolitik. Denn wie die grüne Linke das Ende eines Krieges gutheißen kann, das hoffentlich durch Androhung von Gewalt möglich wird, und sich gleichzeitig von dieser Gewalt distanzieren kann, ist nicht erklärbar.

Es ist – übrigens auch von Joschka Fischer – viel gewarnt worden in den Diskussionen über Bosnien und die Bundeswehr. Das ist auch gut so, denn es gibt Gefahren. Aber es wurden schreckliche Entwicklungen an die Wand gemalt: Die Nato-Luftangriffe auf serbische Stellungen galten als der größtmögliche Eskalationsschritt, die Beteiligung der deutschen Tornados als Kriegseintritt der Bundesrepublik. Es ist bekanntlich anders gekommen.

Auch Ludger Volmer hat gestern im Bundestag wieder vor einer Eskalation mit deutscher Beteiligung gewarnt. Aber besteht diese Gefahr für die Soldaten Dutzender anderer Länder nicht auch?

Vielleicht ist der Bundestag nicht der Ort, wo sich Politikerinnen und Politiker mit unerfreulichen Tatsachen und eigenen früheren Fehleinschätzungen offen auseinandersetzen müssen. Der Parteitag von Bremen aber ist dieser Ort. Hans Monath