Zurück ins Kaufhaus?

■ Teleshopping-Kanal H.O.T. jetzt ohne Chance im bundesdeutschen Kabel

Man schlug den Sack, weil man den Esel nicht treffen konnte. Eigentlich verdienten nämlich die Ministerpräsidenten der Länder die Prügel – doch den Schaden hat vorerst der erste deutsche Teleshopping-Kanal H.O.T. (Home Order Television). Das Gemeinschaftsunternehmen von Quelle und Pro7 hat am Montag unter den 15 Medienanstalten nicht die erforderliche Mehrheit für eine bundesweite Verbreitung bekommen. Nicht, daß der Sender, an dem Leo Kirchs Sohn Thomas indirekt beteiligt ist, die Meinungsvielfalt besonders beeinträchtigen würde. Wohl aber haben es die Bundesländer versäumt, für diese Art von Kanälen eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.

Nach dem geltenden Rundfunkstaatsvertrag ist nämlich Teleshopping auf eine Stunde pro Tag begrenzt. Und über einen neuen Vertrag aller Bundesländer haben sich SPD- und CDU/CSU- regierte Länder bisher noch nicht geeinigt. Da aber der Münchner Sender Pro7 drängte und amerikanische Konkurrenz vor der Tür stand, versuchte die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), das Projekt mit einem juristischen Trick abzusichern, und Minister Erwin Huber durfte Mitte Oktober auf den Startknopf drücken. Statt eine Rundfunklizenz zu erteilen, schloß man mit H.O.T. einen „öffentlich-rechtlichen Vertrag“ und deklarierte das neue Einkaufsgefühl flugs als „Versuchsprojekt“ für das Nürnberger und Münchner Kabelnetz.

Ein Teil der anderen Medienanstalten akzeptierte das. Doch im Abstimmungsverfahren der fünfzehn braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Und eine starke Minderheit argumentierte strikt dagegen: Man könne als vollziehendes Organ nicht Gesetzgeber spielen. „Nicht Teleshoppingkanäle an sich sind das Problem“, sagt zum Beispiel Thüringens oberster Medienwächter Victor Henle, „sondern die Fesseln des Rundfunkstaatsvertrags.“

Unterstützung bekam diese Position Ende letzter Woche vom Verwaltungsgericht München. Das lehnte zwar eine Klage von RTL gegen die Verbreitung des Teleshopping-Kanals ab – aber nur, weil RTL, selbst im Kabel vertreten, dadurch nicht geschädigt werde. In der Sache gaben die Richter den Kritikern recht: Entweder sei H.O.T. gar kein Rundfunk, sondern ein „elektronischer Verkaufskatalog“, wie Pro7-Chef Georg Kofler nimmermüde erklärt – dann habe die Medienanstalt gar keine Kompetenz dafür. Oder es sei doch welcher, aber dann würde der Rundfunkstaatsvertrag es eben verbieten. In jedem Fall sei der Vertrag mit H.O.T. nichtig. Nun braucht nur noch ein anderer Sender, der keinen von den begehrten Plätzen im Münchner Kabelnetz abbekommen hat, zu klagen – dem müßte das Verwaltungsgericht recht geben, und H.O.T. flöge aus dem Kabel.

Am Montag kam's dann noch dicker für die Homeshopper. Als sich die Spitzen der 15 Medienanstalten zusammensetzten, da hoffte BLM-Präsident Wolf Dieter Ring noch, eine Zweidrittelmehrheit würde jetzt zustimmen, H.O.T. bundesweit über den Satelliten Astra 1D zu verbreiten. Doch plötzlich fehlten ihm zwei sicher geglaubte Stimmen: Die Medienwächter von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein hatten in ihren jeweiligen „Versammlungen“ (ähnlich wie Rundfunkräte zusammengesetzt) Gegenwind bekommen und mußten sich enthalten. Das Ergebnis: nur noch 7 von 15 Stimmen dafür, 5 dagegen.

BLM-Chef Ring hatte zwar den Antrag gestellt, kündigte aber gestern an, die Zustimmung der anderen Anstalten brauche er gar nicht. Er werde seinem Entscheidungsgremium, dem Medienrat, vorschlagen, die bundesweite Satellitenverbreitung von H.O.T. trotzdem zu genehmigen. Dann muß zwar die luxemburgische Medienbehörde noch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen, weil die Astra-Satelliten der dort ansässigen Firma S.E.S. gehören. Aber das dürfte H.O.T. wenig Kopfzerbrechen bereiten. Gehört doch Europas führender Satellitenbetreiber unter anderem zwei luxemburgischen Staatsbanken. Und auch im Großherzogtum wird Standortpolitik betrieben. Michael Rediske