■ Bruce Lee meets Oberammergau
: Knüppeln mit dem Tonfa

München (taz) – Daß die bayerische Polizei gerne ein „bißerl kräftiger hinlangt“, wissen wir spätestens seit den denkwürdigen Erläuterungen des seinerzeitigen Ministerpräsidenten Marx Streibl zum Münchner Weltwirtschaftsgipfel 1992. Probeweise kam damals ein besonderer Knüppel zum Einsatz, mit dem nun die gesamte Polizei des Freistaates ausgerüstet werden soll. Das neue „Schlag- und Räuminstrument“ entstammt dem Arsenal fernöstlicher Kampfkünste und ist dem einschlägigen Publikum aus seiner bevorzugten Verwendung in verschiedensten Kung-Fu-Filmen geläufig.

Die Rede ist vom sogenannten Tonfa, der für den Laien aussieht wie ein abgesägter, etwas zu dick geratener Krückstock. Ein rund 60 Zentimeter langes Gerät, an dessen oberem Ende im rechten Winkel ein etwa zehn Zentimter langer Griff absteht (wenn man ein bayerisches Schulkruzifix entlang der Lächsachse auseinandersägt, erhält man zwei Tonfa-ähnliche Teile).

Der Tonfa wird aus dem Handgelenk blitzschnell hin- und hergedreht, was an Rotorblätter eines Hubschraubers oder an elektrische Zerkleinerungsgeräte aus dem Küchenhaushalt erinnert. „Wer da jetzt drangeht“, meint Dieter Gaube, Chefausbilder des Polizeipräsidiums München, „ist ein potentieller Selbstmörder.“ Der Tonfa ist ein Kampfgerät, das Angst machen soll – und Angst macht. Man kann mit ihm abblocken und abdrängen, aber auch hebeln, fixieren, stechen, stoßen und totschlagen.

In einem Lehrbuch asiatischer Kampfkünste heißt es: „Wer mit dem Tonfa umzugehen weiß, hat eine absolut tödliche Waffe in der Hand.“

Wie das bayerische Innenministerium betont, sei der neue Einsatzstock, kurz „ES“ genannt, allerdings in erster Linie ein Abwehrgerät, das den einzelnen Beamten vor Angriffen schützen soll. Seit zehn Jahren werde es schon von Sondereinsatzkommandos (SEK) mit Erfolg eingesetzt: Vor allem beim Protest gegen die atomare Wiederaufbereitungsanalge (WAA) in Wackersdorf habe der „ES“ gute Dienste geleistet.

„Mit dem Gerät“, so Chefausbilder Gaube, „kann ich auch in engem Gewühl arbeiten, da muß ich nicht groß ausholen, wie mit dem alten Gummiknüppel.“ Ein Zielpunkt: Die „kurze Rippe“. Genau das hat auch die Selbsthilfegruppe „Demo-Sanis“ in ihrer Dokumentation des „Münchner Kessels“ beim Weltwirtschaftgipfel 1992 beobachtet. Wild knüppelschwingende Einsatzhundertschaften seien passé, die Angriffe seien gezielt: „Am häufigsten haben wir Rippenprellungen oder Rippenbrüche, aber auch Verletzungen der Nieren und Milz kommen vor.“ Bei Schlägen auf die Leber droht der Kollaps des Organs.

10.000 der 31.000 Polizeibeamten des Freistaates wurden bislang mit dem neuen Einsatzstock ausgestattet; 1,5 Millionen Mark sieht der Haushalt des bayerischen Innenministeriums bis 1996 für die gesamte Umrüstung vor. Hergestellt wird das Nahkampfgerät von der Würzburger Firma Jacobi zum Stückpreis von 38,50 Mark. Eine wahrhaft einmalige Investition, denn der „ES“, in Polizeikreisen auch als „der Jacobi“ bezeichnet, ist mit 560 Atü aus Hartplastik gegossen und daher „nahezu unzerstörbar“.

Siegfried Krempel von der Arbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten hält nichts von der martialischen Aufrüstung mit dem Tonfa, die Gewalt geradewegs provoziere. Für Polizeichef Gerhard Maier dagegen ist der „ES/Jacobi“ unbezahlbar: Allein die Androhung des Einsatzes reiche aus, die Bereitschaft zu Widerstandshandlungen „um 60 Prozent“ zu senken. Colin Goldner