Kommt sie oder nicht?

■ Heidemarie Wieczorek-Zeul, stellvertretende SPD-Vorsitzende, zum allerneuesten Streit um die Euro-Währung, die ohne eine europäische Sozialunion nicht zu haben sei

taz: Frau Wieczorek-Zeul, kommt 1999 die Euro-Währung?

Heidemarie Wieczorek-Zeul: Das läßt sich heute nicht voraussagen. Wenn die Bundesregierung mit ihrer Haushaltspolitik so weitermacht, wird nicht einmal Deutschland die Maastricht-Kriterien erfüllen. Wir meinen, daß eine zwar fristgerechte, aber nur Mini-Währungsunion keinen Sinn macht und wir auf alle Fälle mit einer größeren Zahl von Teilnehmerländern unter Einhaltung der Kriterien beginnen müssen.

Aber wer die Kriterien erfüllt, ist doch 1999 automatisch dabei. Stehen Sie zum Maastricht-Vertrag, oder wollen Sie nachverhandeln?

Der Begriff „Nachverhandeln“ ist vielleicht mißverständlich. Gemeint ist für den Bereich der Währungsunion: Es müßten ergänzende Abmachungen getroffen werden, die die Stabilitätskriterien und eine aktive Beschäftigungspolitik dauerhaft sicherstellen. Für den Beginn der Währungsunion gilt: Wir haben den Parlamentsvorbehalt bei der Ratifizierung von Maastricht durchgesetzt. Das heißt, daß es für uns keinen Automatismus gibt, sondern Bundestag und Bundesrat über diesen Schritt erneut, vor Beginn der 3. Stufe abstimmen müssen.

Will auch die europapolitische Sprecherin der SPD-Fraktion die Währungsunion zum Thema des Bundestagswahlkampfes machen?

Ich glaube, daß die Grundentscheidungen schon vor 1998 getroffen werden. Ich bin aber sehr froh, daß das Thema nun endlich in der Öffentlichkeit diskutiert wird, denn es sind Fragen, die die Leute umtreiben. Ich bin für die Währungsunion. Also muß ich die Menschen überzeugen. Ich fordere eine stabile Währungsunion, die nicht platzt, weil der EU alle Elemente einer Wirtschafts- und Sozialunion fehlen.

Sind Sie sicher, daß die SPD die Diskussion auf Sachfragen begrenzen kann und nicht antieuropäische Ressentiments schürt?

Die Ressentiments gegen Europa gibt es in der Bevölkerung. Nach jeder proeuropäischen Rede bekomme ich körbeweise entsprechende Post. Das hängt auch damit zusammen, daß die Bundesregierung den Maastricht-Vertrag im geheimen Kämmerlein vorbereitet hat. Es schürt die Vorurteile, wenn die Regierung sich im Bundestag weigert, seit langem vorliegende Fragen der SPD zu den Auswirkungen der Währungsunion zu beantworten. Nur umfassende Information beseitigt Ressentiments.

Hat Ihnen Gerhard Schröders Einstieg in die Debatte tatsächlich gefallen?

Es geht nicht um den geglückten oder weniger geglückten Einstieg in die Debatte. Ich finde, daß die Linke insgesamt viel zuwenig Konsequenzen daraus zieht, daß die Globalisierung der Wirtschaft die Handlungsmöglichkeiten eines Nationalstaates erheblich schwächt. Wir müssen die EU nutzen und ergänzen, das ist eine Reformaufgabe der SPD. Wer den Sozialstaat dauerhaft sichern will, kann das nur auf europäischer Ebene.

Ihr Vorwurf an Kohl lautet, er bleibe jede Konkretisierung schuldig. Beschränkt sich die SPD auf Nachfragen?

Zunächst gibt es eine Aufklärungspflicht der Bundesregierung der Bevölkerung gegnüber, welche Vor- und Nachteile die dritte Stufe der Währungsunion bedeutet. Wir haben eine Reihe von Kriterien festgelegt, die der Parteitag von Mannheim diese Woche verankern wird. Die Mängel von Maastricht müssen nachgearbeitet werden: Auch auf EU-Ebene muß eine aktive Beschäftigungspolitik betrieben werden, damit sich die EU in Richtung Sozialunion entwickelt. Das ist unsere Forderung an die Reformkonferenz von 1996. Wir werden in Mannheim auch die Forderung durchsetzen, daß es zwischen den Ländern, die an der Währungsunion teilnehmen, Vereinbarungen über eine gemeinsame Beschäftigungspolitik gibt. Wenn die Währungsunion kommt, und es gibt keine Wechselkursanpassungen mehr, vollzieht sich sonst die Anpassung über Druck auf die Löhne oder Arbeitslosigkeit.

Glauben Sie, daß sich die Sozialdemokraten gegenüber Helmut Kohl ausgerechnet als bessere Europäer profilieren können?

Die Leute sind es dicke, nur wohltönende Worte zu hören. Wenn man wie Kohl nur die Sprüche zu Europa macht und dann an den unangenehmen Punkten ausweicht, ruiniert das auf Dauer die Unterstützung und Überzeugung der europäischen Idee. Wir werden die Sorgen der Menschen aufgreifen und die Bundesregierung zwingen, endlich klare Position zu beziehen. Interview: Hans Monath