Dicht und glatt wie Marmor

■ Literaturhaus: Christoph Ransmayr las aus „Morbus Kitahara“

Voll war es am Donnerstag abend im Literaturhaus – und kalt. Letzteres, weil offensichtlich die Lüftung falsch temperiert war. Ersteres, weil der Schriftsteller Christoph Ransmayr sein neuestes Buch vorstellte. So galt es zugleich, sich klein zu machen und sich am Vortrag aus dem Roman Morbus Kitahara zu wärmen. Was nicht recht gelingen wollte. Denn Ransmayrs Prosa ist – vom Handwerklichen her – fast zu perfekt. Sie funkelt dicht und glatt wie Marmor. Und Marmor ist bekanntlich kalt.

Kann man zu gut schreiben? Das ist natürlich eine seltsame Vorstellung. Es soll hier auch gar nicht zu sehr genörgelt werden. Und schon gar nicht geht es darum, die Debatten aus den 80er Jahren wieder aufzurollen. In ihnen war darum gestritten worden, inwieweit wieder oder noch oder überhaupt „erzählt“ werden darf. Jedoch ist es eben doch so, daß diese Prosa nach Pinot Grigio duftet. Was ja nun kein Makel ist. Nur macht eben gerade Makellosigkeit manchmal vorsichtig.

Bei der privaten Lektüre der Seiten, in denen sich der Hundekönig – eine der drei Hauptfiguren des Romans – ein Rudel Hunde unterwirft, hatte beispielsweise quer über den Buchstaben ein rotes Licht geblinkt: Achtung, Vorlese-Szene. Und dieses Licht hatte die Grausamkeit und das Zupackende der Handlung dann allmählich überstrahlt. Das Buch funktioniert in etwa so, als wolle man die Bösheit der Welt in besonders schönen Farben malen.

Als dann Christoph Ransmayr diese Szene als eine von dreien tatsächlich vorlas – ein Abschnitt für jede Hauptfigur –, verdoppelte sich der Effekt gar noch. Denn Ransmayr kann nicht nur fast zu gut schreiben, er kann auch fast zu gut vorlesen. Mit angenehmer, nur ganz entfernt den österreichischen Akzent zu erkennen gebender Stimme gab er jedem Satz, was ihm gebührt: stets den richtigen Rhythmus, stets die richtige Betonung. Es war sehr beeindruckend – und ein bißchen langweilig.

Ganz klar war bei der Lesung im Literaturhaus aber auch zu erfahren, was Christoph Ransmayr alles kann. Was er abliefert, hat, wie der Fußballreporter sagt, Hand und Fuß. Es ist sehr differenziertes und filigranes Handwerk. Kunsthandwerk. Eben. Dirk Knipphals