Hamburger Poker

■ Wird "Die Woche" noch diese Woche an den Bauer-Verlag verkauft? Manfred Bissinger soll "Ergo" herausbringen

Eigentlich passen sie ja so gar nicht zusammen: Heinz Bauer, Großverleger von Frauen-, Männer- und Programmzeitschriften mit mehr oder weniger viel nacktem Fleisch, und der kleine, aber feine Thomas Ganske, der sich mit den Büchern von Hoffmann & Campe, mit Blättern wie Petra und Die Woche schmückt. Doch Not macht nicht nur erfinderisch, sie läßt auch Hemmungen überwinden. Und in Not sind beide Herren.

Bauer sucht händeringend einen neuen Chefredakteur für sein Nachrichtenmagazin Ergo, von dem zwar es Dutzende von Nullnummern, aber immer noch kein Exemplar am Kiosk gibt. Ganske wiederum hat in seinem Jahreszeiten-Verlag genau den richtigen Mann, Woche-Chef Manfred Bissinger. Dafür drücken ihn Geldsorgen. Die Woche macht geschätzte 15 bis 20 Millionen Mark Verlust im Jahr, und Für Sie und Petra, die sein teures Qualitätshobby bisher finanzierten, haben in nur einem Jahr mehr als 12 Prozent ihrer Auflage verloren.

Was liegt da näher, als daß sich zwei Bedürftige zusammentun? Mit den Dementis der beiden könnte man zwar, wie der Branchendienst „text intern“ schrieb, Litfaßsäulen vollpflastern. Doch mittlerweile wird bei der Woche nur noch ausweichend geantwortet, wenn die eigenen Redakteure nachfragen. Und im Hause Bauer sagen gut informierte Quellen, für den morgigen Donnerstag stehe eine Unterschrift an.

Die Frage ist, unter was für einen Vertrag. Und da scheiden sich die Geister unter den Hamburger Gerüchteköchen. Kein Wunder, möchte doch jeder der beiden Verleger die begehrten 51 Prozent. Vor zwei Wochen schienen die Verhandlungen schon am Ende, weil Ganske die Mehrheit behalten und auch noch 50 Millionen Mark Verluste erstattet haben wollte. Daran waren vorher schon Gespräche mit dem Spiegel und Gruner + Jahr gescheitert. Auch von ihnen versprach sich Ganske den Rückenwind eines in Vertrieb, Eigenwerbung und Anzeigen potenten Verlages.

„Hätte Die Woche die Werbemittel von Spiegel oder Focus“, räumt Bissinger mittlerweile ein, „hätte sie eine viel höhere Auflage.“ Mit der geht es zwar allmählich aufwärts, aber eben sehr allmählich (in einem Jahr legte sie 11.000 zu, auf heute 116.000). Davon wird nur gut die Hälfte am Kiosk und per Abo verkauft. Der Rest ist als „sonstige Verkäufe“ ausgewiesen (Lufthansa, Lesezirkel etc.).

Wer also wird den Poker verlieren und sich mit den ungeliebten 49 Prozent begnügen? Ganske, der nicht von Luft, Liebe und dem Preis für Medienpublizistik leben kann, den Woche-Ressortleiter Oliver Herrgesell gerade bekommen hat (gestiftet von dem Bauer- Blatt TV-Movie, hony soit qui mal y pense)? Oder Heinz Bauer, dem als Ergo-Retter nur noch Manfred Bissinger einfällt – der als Blattmacher tatsächlich keine Konkurrenz zu fürchten braucht? Bauer steht unter Druck, längst lacht über ihn die Anzeigenbranche, die sein Zeitschriftenimperium finanziert, weil er immer wieder Ergo versprochen hat, das dann doch nicht kam.

Doch 49 Prozent hin und 51 her: Was wird aus den beiden Blättern? Aus Kreisen der Woche dringt heraus, daß Ganske und Bauer einen neuen Verlag gründen wollen, in dem dann Ergo und Die Woche erscheinen – beide von Manfred Bissinger herausgegeben und mit eigenen Machern, die sich Chefredakteure zumindest nennen dürfen. Im Hause Bauer wird dagegen gefragt: Wollte nicht Manfred Bissinger immer schon lieber ein Nachrichtenmagazin machen? Würde nicht eine Fusion von Woche und Ergo „Kräfte bündeln“? Ein Nachrichtenmagazin namens Die Woche hätte doch nicht nur einen renommierten Namen, sondern auch, so meinen Marketingfachleute, ein größeres Anzeigenpotential als eine Donnerstagszeitung.

Heinz Bauer läuft derweil alles davon: Zeit, Anzeigenkunden und Redakteure. Einigt er sich nicht mit Ganske und Bissinger, wird er wohl bald dem galgenhumorigen Vorschlag aus der Ergo-Redaktion folgen und den neuen Chefredakteur per Preisausschreiben bestimmen müssen. Michael Rediske