„Von allen guten Geistern verlassen“

■ Schröders und Scharpings Äußerungen über „stabile D-Mark“ und die geplante Euro-Währung stoßen auf Kritik. Trittin: Europa wird 1998 Wahlkampfthema

Bonn (taz) – Die SPD-Führung setzt sich dem Verdacht aus, sie wolle mit Ängsten vor einem Stabilitätsverlust der D-Mark Stimmung machen. Nach verbalen Entgleisungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder und des Parteichefs Rudolf Scharping zum Thema Währungsunion warnten Koalitionspolitiker sowie Mitglieder der eigenen Partei gestern davor, aus wahltaktischen Gründen Emotionen gegen die Vertiefung der europäischen Einigung zu schüren.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Klaus Hänsch (SPD), erklärte der Bild, er könne „die SPD nur davor warnen, die Ängste der Bevölkerung vor der geplanten Einführung der EU- Währungsunion zum Wahlkampfthema zu machen“. „Auf einer nationalistischen Welle“ könne die SPD keine Wahlen gewinnen.

Außenminister Klaus Kinkel (FDP) erklärte, die Äußerungen der beiden SPD-Politiker legten den Schluß nahe, „daß beide von allen guten europapolitischen Geistern verlassen sind“. Der FDP- Abgeordnete Helmut Haussmann sprach von einem „europapolitischen Kamikaze-Kurs“.

Laut Spiegel hatte Schröder kürzlich vor dem Übersee-Club in Hamburg auf Inflationsängste hingewiesen und für den Wahlkampf 1998 eine „gewaltige Kontroverse“ um die Währungsunion vorausgesagt. Das Blatt zitiert Schröder mit den Worten: „Endlich haben wir Sozialdemokraten wieder ein nationales Thema.“

Scharping hatte sich am Wochenende im Deutschlandfunk ausdrücklich zur europäischen Integration bekannt, dann aber zum Thema Währungsunion erklärt: „Für irgendeine Idee, die dann am Ende keine wirtschaftliche Stabilität und auch keine Stabilität des Geldes signalisiert, die D-Mark aufzugeben, hielte ich für falsch.“ Die Stabilität der Währung sei wichtiger als Zeitpläne.

Auch der Vorstandssprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, geht davon aus, daß die europäische Einigung im Jahr 1998 „mit Sicherheit“ ein Wahkampfthema wird. Im Zusammenhang mit der Währungsunion warnte Trittin aber ausdrücklich, „mit Angst Politik zu machen“. Wer versuche, Helmut Kohl rechts zu überholen, handele „nicht besonders klug“. Trittin bezweifelte, daß eine gemeinsame europäische Währung im geplanten Zeitraum bewerkstelligt werden könne. Er plädierte für „Formen abgestufter Integration“, die aber allen Mitgliedern die Perspektive eröffnen solle, das gemeinsame Ziel zu erreichen. Die Jusos forderten eine sofortige Kurskorrektur und eine Zurücknahme der populistischen Pro-D-Mark-Propaganda. Hans Monath