Kuba will zum Tiger werden

Die kubanische Regierung umwirbt das Auslandskapital. Reformen der Binnenwirtschaft kommen jedoch nur zäh voran  ■ Aus Havanna Bert Hoffmann

Pepsi Cola ist schon in Havanna. In den Dollarshops kostet die Dose 65 Cents, und an der Hotelbar wird der „Cuba Libre“ längst mit dem Getränk aus Feindesland zubereitet. Wie dieses trotz Wirtschaftsembargo der USA dahin kommt, darüber redet Señor Gamboa, der für die Pepsi-Filiale in Mexiko arbeitet, nicht gerne.

Gamboa ist für drei Tage nach Havanna gekommen, für die große Investorenkonferenz, die die kubanische Regierung mit dem britischen Business-Magazin Economist veranstaltet. Denn während rechte Politiker in den USA die Kuba-Blockade weiter verschärfen wollen, hat die sozialistische Regierung eine Offensive gestartet, um dem Auslandskapital Handel und Investitionen auf der Insel schmackhaft zu machen.

Es ist ein Empfang erster Klasse, vom Wirtschaftsminister bis zum Präsidenten der Nationalbank ist alles aufgeboten, was in Kubas Wirtschaftspolitik Amt und Würden hat. Der Titel der Konferenz ist kühn: „Kuba – ein karibischer Tiger im Entstehen?“

In der Tat können die Wirtschaftsplaner in Havanna Erfolge vermelden. Der fünf Jahre währende freie Fall der kubanischen Ökonomie ist fürs erste gestoppt. 1994 kam erstmals offiziell wieder ein Wachstum von 0,7 Prozent zustande. In diesem Jahr werden es, so rechnet Wirtschaftsminister José Rodríguez vor, zwei Prozent sein. Auch die Finanzen stehen besser da als im Vorjahr: Das Haushaltsdefizit ist reduziert worden, und die Währung hat sich stabilisiert, wenn auch auf niedrigem Niveau. Rechtzeitig zur jetzigen Werbeoffensive hat die kubanische Nationalversammlung im Sommer ein neues Gesetz über Auslandsinvestitionen verabschiedet, das künftig auch 100prozentige Direktinvestitionen ermöglicht und nun frisch aus dem Druck an die versammelten Geschäftsleute verteilt wird. Die Quintessenz der kubanischen Erfolgsstory bringt Carlos Lage, De-facto-Premierminister und der zentrale Wirtschaftsverantwortliche, auf den Punkt: „Heute fragen die Leute nicht mehr: ,Wann fällt Kuba?‘, heute fragen sie: ,Wie geht es hier weiter?‘“

Diese Zukunft sieht für die ausländischen Investoren freilich anders aus als für die Mehrheit der Kubaner. Die neue Offensive nach außen ändert nichts an der nur schleppenden Reform der kubanischen Binnenwirtschaft. „Vor über einem Jahr sind die Bauernmärkte eröffnet worden, und seitdem hat es nur noch kleinere Maßnahmen gegeben“, kritisiert Pedro Monreal vom Zentrum für Amerika-Studien in Havanna. „Man hat ein Gesetz über ausländische Investitionen beschlossen, okay. Aber wir wissen immer noch nicht, was mit den kubanischen Betrieben werden soll.“

Das Ausmaß dieses Problems ist dramatisch. Die Industriebetriebe Kubas waren 1994 nur zu 20 Prozent ausgelastet, so erklärt Monreal. „Damit steht über kurz oder lang die Entlassung von schätzungsweise 800.000 bis 1,5 Millionen ArbeiterInnen ins Haus. Wenn die nicht ins Nichts stürzen oder in den Schwarzmarkt gehen sollen, muß man ihnen im selbständigen Sektor legale Erwerbsmöglichkeiten eröffnen.“ Doch das ist ein zäher Prozeß. Schon die bisherige, sehr beschränkte Öffnung für „Arbeit auf eigene Rechnung“ und die Zulassung privater Kleinrestaurants stößt auf erhebliche politische Bedenken. Der karibische Tiger mag Krallen haben, aber er hat keinen Körper.

Den ausländischen Unternehmern auf der Konferenz hingegen bietet Kuba inzwischen durchaus interessante Möglichkeiten, nicht zuletzt dank seiner qualifizierten und dabei überaus billigen Arbeitskräfte. Rund 200 Firmen aus Europa, Kanada und Lateinamerika sind bereits in Joint-venture- Geschäften auf der Insel vertreten. Auch viele US-Unternehmen sind es leid, auf den so oft angekündigten Sturz Castros zu warten, wenn man auch mit ihm Geschäfte machen kann. Erst vor einem Monat waren 40 hochkarätige Geschäftsleute – von General Motors über Sears bis Harley Davidson – in Havanna und dinierten mit Fidel Castro. Deklariert war der Besuch als reine Informationsreise, um den Embargobestimmungen Genüge zu tun.

Auch bei Castros jüngstem Auftritt in den USA anläßlich des UN- Jubiläums stand ein Treffen mit Unternehmern auf dem Programm. Deren Interessen, so die Strategie der Regierung in Havanna, sollen das erreichen, was die Routine der alljährlichen Verurteilung durch die UN-Vollversammlung nicht schafft: Die Aufhebung des US-Embargos. In einem Interview hat Castro dafür auch schon einen zeitlichen Horizont gesteckt. Vor den nächsten Präsidentschaftswahlen in den USA sei keine Verbesserung zu erwarten. Aber der Comandante der kubanischen Revolution bereitet sich vor: Die Autobiographie des möglicherweise nächsten US-Präsidenten Colin Powell hat er sich eigens übersetzen lassen.

Señor Gamboa hat zu Politik keine Meinung, zumindest keine, die er äußern möchte. Aber er läßt keinen Zweifel daran, daß er den kubanischen Markt interessant und das Embargo somit lästig findet. Denn seit der Legalisierung des Dollarbesitzes vor zwei Jahren gibt es auch im sozialistischen Kuba kaufkräftige Nachfrage all derer, die die Dollareinnahmen aus dem Tourismus oder die Überweisungen der Verwandten in Miami in die Devisenshops und Dollarcafeterias tragen.

Wegen des Handelsverbots aus Washington läuft das Kuba-Geschäft, wie sich der Pepsi-Mann aus Mexiko ausdrückt, lediglich „informell“. Damit bleibt es natürlich unter seinen Möglichkeiten. So kann die Firma in Kuba etwa keine Werbung machen, während die Kollegen von der Jever-Brauerei ohne Probleme auf Sonnenschirmen den Vorzug friesischer Herbe auch in der Hitze der Karibik preisen können. Auf einer Insel, die nur 90 Meilen von den USA entfernt ist, gönnt man der fernen Konkurrenz nur ungern Startvorteile. „Wir möchten diesen Handel gerne formalisieren“, sagt Gamboa. Zu der Konferenz nach Havanna gekommen ist er, wie er erklärt, „um vorbereitet zu sein, wenn ein Abkommen über Handel mit Grundprodukten mit Kuba geschlossen wird.“ Offensichtlich eine Perspektive, die ihm nicht unrealistisch erscheint. Er wird dann allerdings mehr Konkurrenz haben, als lediglich die kubanische „Tropicola“. Im November wird in Havanna der Präsident von Coca- Cola empfangen.