Verzögerter Sprung ins kalte Wasser

■ 48 vom Berliner Senat unterstützte Arbeitsförderbetriebe bieten inzwischen 1.300 Jobs für schwer vermittelbare ArbeitnehmerInnen. Die Firma GAF in Lichtenberg will mit der Reparatur von Elektrogeräten a

„Beim Arbeitsamt werden doch nur Dreißigjährige vermittelt, die die Berufserfahrung von Fünfzigjährigen haben.“ Der 54jährige Rundfunk- und Fernmeldetechniker Detlef Rohrberg wurde nach der Wende arbeitslos. Alle Versuche, eine neue Stellung zu finden, blieben erfolglos. „Schwer vermittelbar“, so lautete das Urteil des Arbeitsamtes. Wer älter als 45 ist, hat auf dem freien Markt kaum noch Chancen. Als einzige Alternative bleibt eine Beschäftigung auf ABM-Basis, befristet auf maximal drei Jahre. Die anschließende Arbeitslosigkeit scheint vorprogrammiert.

„Da habe ich einen Luftsprung gemacht, als ich die Stelle hier bekam“, erinnnert sich Rohrberg, der seit acht Monaten bei der Gesellschaft für Arbeitsförderung (GAF) im Berliner Bezirk Lichtenberg arbeitet. Für Rohrberg ist der Kreislauf aus ABM und Arbeitslosigkeit dadurch beendet. Der Lichtenberger Betrieb ist einer der 48 Arbeitsförderbetriebe, die seit Anfang vergangenen Jahres in Berlin gegründet worden sind. 1.300 Arbeitsplätze wurden so bereits geschaffen. 3.000 nennt die Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, die die Betriebe finanziell unterstützt, als Ziel. Neben den Lohnkostenzuschüssen vom Arbeitsamt erhalten die Betriebe eine weitere Unterstützung aus der Senatskasse für jeden ehemaligen Langzeitarbeitslosen, den sie beschäftigen.

Gefördert werden Betriebe, die gesellschaftlich notwendige Aufgaben abdecken, die die Privatwirtschaft nicht ausreichend wahrnimmt. Etwa die Hälfte der Firmen soll sich nach drei Jahren ohne Senatszuschüsse auf dem freien Markt behaupten können oder an ein kooperierendes Wirtschaftsunternehmen angegliedert werden. Der Arbeitsschwerpunkt liegt im ökologischen und sozialen Bereich. Die Angebotspalette der Betriebe ist breit gefächert, sie reicht von der Tourismusförderung im Stadtteil über die Sanierung von Industrieflächen bis hin zur Herstellung von behindertengerechter Bekleidung.

Rohrberg und seine Kollegen von der GAF reparieren in der betriebseigenen Werkstatt Waschmaschinen, Fernseher und Videorecorder zu erschwinglichen Preisen. Außerdem verkaufen sie aufbereitete Geräte, die sie von Großhändlern bekommen. Kontakte zu solchen Unternehmen herzustellen ist eine der Aufgaben von GAF-Geschäftsführer Wolfgang Hentschel. Denn auch die öffentlich geförderten Unternehmen müssen auf ihre Wirtschaftlichkeit achten. Die finanzielle Unterstützung des Senates ist nämlich an Auflagen gebunden: Nach drei Jahren werden für jeden ehemaligen Langzeitarbeitslosen statt 25.000 Mark nur noch 15.000 Mark jährlich gezahlt. Und das nur, wenn der Betrieb 50 Prozent seiner Ausgaben selber decken kann.

Das wichtigste Ziel für Hentschel ist deshalb – darin unterscheidet er sich nicht von „ganz normalen“ Existenzgründern –, einen Kundenstamm aufzubauen. Zum Beispiel durch Besuche in Senioren- und Pflegeheimen rührt er die Werbetrommel. Auch der Kontakt zu den Sozialämtern wird gesucht: Bei der Erstausstattung von Wohnungen für Sozialhilfeempfänger winken für die GAF lukrative Aufträge. Die Resonanz auf Hentschels Arbeit ist ermutigend. „Wir sind kurz davor, daß unsere Arbeitskapazität voll ausgeschöpft ist“, stellt der Geschäftsführer fest. Gesa Schulz