Studium mit 30 Tagen Tarifurlaub

■ Die Berufsakademie Berlin kombiniert Ausbildung mit Hochschulbildung

„An der Universität ist man die Hälfte der Zeit damit beschäftigt, sich einen Studienplan zusammenzustellen. Damit haben wir überhaupt keine Probleme.“ Denis Kahl ist Student an der im September 1993 ins Leben gerufenen Berliner Berufsakademie (BA). Für die Organisation seines Studienplanes dürfte er auch kaum Zeit haben. Denn die Ausbildung an der BA läßt dem 20jährigen angehenden Diplombetriebswirt keine Verschnaufpause.

Innerhalb von drei Jahren werden die StudentInnen nicht nur zu DiplomingenieurInnen oder DiplombetriebswirtInnen mit Spezialisierung in einer Wirtschaftsbranche ausgebildet. Sie arbeiten auch in einem Ausbildungsbetrieb, um das in der Theorie Gelernte in der Praxis anzuwenden. Die Ausbildung findet in Blöcken von drei Monaten je zur Hälfte in dem Ausbildungsbetrieb und im Klassenverband an der BA statt. Zum Wiederholen des Lehrstoffes und zur Prüfungsvorbereitung bleiben da nur noch die Wochenenden. Auch von monatelangen Semesterferien können die BA-Studenten nur träumen: Sie haben 30 Tage Tarifurlaub im Jahr.

„Zur Zeit haben wir 50 Wochenstunden Unterricht, und in zwei Wochen schreiben wir Klausuren“, erzählt Denis. „Da braucht man schon ein gutes Zeitmanagement“, ergänzt seine Kommilitonin Sandra Heinrich. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung, an der BA statt an der Universität zu studieren, war der starke Praxisbezug der Ausbildung. Aber auch die Finanzierung der Ausbildung spielt eine Rolle. „Meine Eltern können mir kein Studium bezahlen. Jetzt studiere ich und bekomme dabei noch ein Lehrlingsgehalt“, erzählt Student Matthias Albrecht. Und schließlich, auch das dürfte die Motivation steigern, winken nach dem Abschluß lukrative Jobs in den Ausbildungsbetrieben. „Arbeitslosigkeit ist für BA-Absolventen praktisch nicht existent“, betont Helmut Lück, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit an der Berliner BA, wobei er auf die 18jährigen Erfahrungen aus Baden-Württemberg verweist.

Von dort hatte Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) die Idee der BA nach Berlin gebracht und gegen den Widerstand aus SPD- und Gewerkschaftskreisen durchgesetzt. Freude herrscht seit Ende September im Hause Erhardt über die Anerkennung des BA-Diploms durch die Kultusministerkonferenz. Damit ist den StudentInnen auch der Weg in den öffentlichen Dienst geebnet. Die praktische Bedeutung dieser Entscheidung ist allerdings gering: Die Studierenden wollen später vor allem in der freien Wirtschaft arbeiten. Und die nimmt sie mit offenen Armen in Empfang. Das Interesse an den „leistungswillgen und -fähigen jungen Menschen“, wie Lück die Studenten bezeichnet, hat mehrere Gründe. Das Auswahlverfahren um die Studienplätze hat es bereits in sich. „Bei Schering haben sich 1.000 Leute auf zehn Plätze beworben“, erzählt Jan Rosenkranz, der am Fachbereich Industrie studiert. BewerberInnen mit einem Abiturdurchschnitt über 2,3 bekamen ihre Unterlagen postwendend zurück. Die Übriggebliebenen mußten zahlreiche Wissens- und Konzentrationstests absolvieren, an Gruppendiskussionen teilnehmen und in Einzelgesprächen zeigen, daß sie über das aktuelle politische Geschehen informiert sind. Aber auch die enge Zusammenarbeit der BA mit den Unternehmen steigert das Interesse der Wirtschaft an den StudentInnen. Viele DozentInnen kommen aus der Wirtschaft, die Lehrpläne werden in Abstimmung mit Wirtschaftsfachleuten ausgearbeitet. Gesa Schulz