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: Bodenlose Batterie-Basis-Vermarktung

Der arbeitslose Betriebsrat mit Restmandat beim Batteriewerk in Oberschweineöde, Hanns-Peter Hartmann, hatte neulich Gelegenheit, seine Wendeerfahrungen beim Aufbau eines Vertriebsnetzes von unten („Klassenkampf als Marketing“ mit dem „Soli-Pull-Effekt“) erneut anzuwenden: Da lud ihn nämlich der bayrische Belfa-Besitzer Boeckeler, der den unkündbaren BR- Vorsitzenden bei Übernahme des Betriebes 1993 unschön entlassen hatte, ins Grand Hotel, wo er ihm gestand: „Belfa hat enorme Absatzprobleme!“

Zum Erreichen der Gewinnzone bräuchte man 7 Millionen Mark für Werbung. Aber seit Juni würden Treuhand und Senat keine Zuschüsse mehr zahlen. Sein Belfa/Batropa-Geschäftsführer Thieme präzisierte: Erst sei es zu „Ausläufern“ bei der Umstellung auf quecksilberfreie Produktion gekommen, nun würde man nur noch die Alkalinen herstellen. Dann wäre das neue rot-grün-goldene Marketing-Konzept erst 1995 angelaufen. Weswegen der Umsatzrückgang (von 450.000 Mark vor der Privatisierung auf jetzt 250.000 Mark im Monat) noch nicht aufgefangen sei. Immerhin wäre Belfa Hauptlieferant für Telekom und Bundestag. Auch greifen die „Zweitplazierungen“, Batterien mit Fußballvereinsaufkleber: „Belfa ist unbekannt, aber nicht der 1.FC Bayern!“ Schon habe man eine „Batropa UK limited in London“ für solche „Nischenstrategien“ gegründet. Und Hauptgesellschafter Boeckeler habe zusammen mit Dr. Söhngen von der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft inzwischen das Belfa- Grundstück dazuerworben. Die „Vision“ ist: „Daß wir hier ein kleines Produktions-, Dienstleistungs- und Handelszentrum machen.“ Da es sich dabei um ein Massenprodukt handele, wäre ein „massenmediales Marketing“ angemessen. Vielleicht könne Hanns-Peter Hartmann mit seinen Medienkontakten flankierende Maßnahmen ergreifen.

Hartmann steckte gerade mitten im Wahlkampf als PDS-Kandidat in Treptow-Johannisthal. Also mobilisierte er erst einmal die PDS-Bezirkspresse, um den drohenden Arbeitsplatzverlust abzuwenden: durch Werbung für ein „Produkt aus den neuen Bundesländern“, das „preiswerter, aber dieselbe Qualität wie die Westmarken hat“. Auch Verkaufsstände auf PDS-Festen organisierte er, von den Belfa-Leuten tauchte nie jemand auf. Telefonisch zur Rede gestellt, meinte Vertriebschef Eggert erst: „Die Leute aus der Produktion können das neue Produkt nicht richtig repräsentieren!“ und dann: „Ich kann Sie aber unterstützen, Herr Hartmann – mit Batterien und Taschenlampen als Werbegeschenke im Wahlkampf.“ Hartmann meinte, nicht richtig zu hören: „Die PDS gibt es auch noch in zehn Jahren! Es geht aber hier um Belfa! Ihr seid in Not!“ Hatte Boeckeler ihn etwa nur ins Grand Hotel bestellt und bewirtet, um ihn vorzuführen oder ruhig zu stellen? Auch einige Belfa-Kollegen (auf Nullstunden-Kurzarbeit) witterten „Verrat“: von Hartmann.

Dann trat Stefan Heym zurück, und er wurde sein Nachrücker im Bundestag. Jetzt galt es, sich beide Optionen offen zu halten: die Aussicht auf drei Jahre in Bonn und den Sieg bei der Wahl fürs Abgeordnetenhaus in Johannisthal, wo die PDS zuletzt 83 Prozent bekam. Hier wie dort trat Hartmann übrigens mit dem Slogan an: „Damit Arbeiterinteressen nicht unter den Latsch kommen!“ Noch ist sein „Marketing von unten“-Konzept also nicht völlig ausgereizt. Helmut Höge

wird fortgesetzt