ARD soll jetzt die "Zeche zahlen"

■ Auf den Münchner Medientagen trafen die Sieger und Verlierer des ARD-Streits aufeinander

Der Kontrast hätte nicht größer sein können: Erst lobte Edmund Stoiber, von Fanfarenklang aufs Podium geleitet, sich und seinen sächsischen Kollegen Kurt Biedenkopf „in aller Bescheidenheit“, daß sie mit ihrem provokanten Thesenpapier zur ARD eigentlich jenen Stein ins Rollen gebracht hätten, der am letzten Wochenende mit den Beschlüssen der Länderchefs als mittlere Lawine zum Stehen kam. Strahlend berichtete er von dem Kompromiß, mit dem er „sehr zufrieden“ sei.

Nach der Grundsatzrede des Landesherren der Münchner Medientage durfte dann der ARD- Vorsitzender Albert Scharf mit sorgenvollem Gesicht und ungewohnt deutlichen Worten den Verlierer mimen. Seine Anstalten sollten jetzt „die Zeche bezahlen“ für die Einigung der Ministerpräsidenten. Die hatten zwar lauthals den Bestand der ARD garantiert – aber nur bis zum Jahresende 2000.

Die ARD werde „ausgetrocknet“, kommentierte Scharf den Beschluß, daß die Länderkette nur eine magere Gebührenerhöhung zu erwarten hat und daß sie selbst die geplanten zusätzlichen Spartenkanäle (in der Wahl sind ein Kinder-, ein Bildungs- und ein Parlamentsprogramm) rein aus Einsparungen finanzieren soll. Und dann, noch einen Zacken schärfer: „Die ARD läßt sich nicht als Geisel nehmen, um auf einzelne Landesparlamante wirtschaftlichen oder politischen Druck auszuüben.“

Gemeint ist dabei ein recht gemeiner, aber wirksamer Trick, den sich Stoiber und Biedenkopf ausgedacht haben, um eine Strukturreform der bislang elf ARD-Anstalten doch noch zu erzwingen. Bisher konnten die Intendanten immer darauf hinweisen, daß eine Zusammenlegung von Anstalten Sache der Länderparlamente ist. Saarland und Bremen müßten also ihre eigenen Sender abschaffen. Und die Spitzenpolitiker dort – ob SPD-Regierung oder CDU-Opposition – sind traditionell dagegen. Doch jetzt haben Stoiber und Biedenkopf durchgesetzt, daß nach dem Jahr 2000 jener Geldhahn zugedreht wird, ohne den Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk kaum überleben können: der ARD-Finanzausgleich.

Der Trick mit dem ARD-Finanzausgleich

Da kann der Saarländer und Lafontaine-Vertraute Reinhard Klimmt noch so bestimmt prophezeien, den Finanzausgleich werde es auch weiterhin geben, im Jahr 2000 reicht der Austritt einzelner Länder, um ihn per Dominoeffekt ganz zu kippen. Nehmen wir den NDR: Dem hat die unabhängige Gebührenkommission (KEF) bescheinigt, er habe schon kräftig Personal gespart. Doch weil die Experten der KEF ähnliches den anderen ARD-Anstalten nicht abnehmen, kürzten sie die Forderungen der ARD kräftig herunter – auf weniger als die Hälfte. Darunter nun wird auch der ob seiner Sparsamkeit gelobte NDR leiden – der auch noch in den Finanzausgleich einzahlt. Und so wird er wohl der erste sein, der auf den Zug aufspringt, wenn es gilt, diese Millionen zu sparen.

Wenig glücklich ist man bei der ARD auch, daß Biedenkopf und Stoiber durchgesetzt haben, daß Spartenprogramme nicht zur Grundversorgung gehören und daß ihre Zahl künftig von den Ministerpräsidenten genehmigt werden muß. Natürlich vermutet man hier, und wohl nicht zu Unrecht, daß Leute, „die die ARD schwächen wollen“ – und da zeigt Scharf ausdrücklich auf die privaten Konkurrenten –, sich ein gutes Stück durchgesetzt haben. Denen sind die Zügel, die jetzt die Öffentlich- Rechtlichen bekommen, noch längst nicht kurz genug. RTL-Chef Helmut Thoma jedenfalls hatte für München wieder eines seiner allseits geschätzten Bonmots vorbereitet: Nach der Tagung der Länderchefs fühlten sich die Privatsender „wie Eunuchen, denen man die Mehrehe gestattet“.

Ob allerdings RTL und Sat.1 die Eunuchen sein werden, wenn sich die Zahl der Kanäle vervielfacht, oder nicht doch ARD und ZDF, wird sich noch herausstellen. Zunächst wollen die Ministerpräsidenten zwar ARD und ZDF zwei Spartenkanäle genehmigen, aber nicht das Geld dafür. Allerdings bleibt die Frage, ob das verfassungsrechtlich zulässig ist. Auch in der KEF wird durchaus diskutiert, daß Programme, die genehmigt werden, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch ausreichend finanziert werden müssen. Michael Rediske, München