Das Portrait
: Geehrt und gehaßt

■ Maria Loley

„Ich halte jede Situation für veränderbar. Ich muß sie nicht selbst verändern, sondern Hilfe geben, daß der andere aus seiner Position herauskommen kann, in Achtung seiner Freiheit.“ Große Worte, die die 71jährige Maria Loley gelassen aussprechen kann. Sie weiß, daß es keine leeren Worte sind.

Seit drei Jahren organisiert die schmächtige, weißhaarige Frau unermüdlich ein Projekt zur Integration von Flüchtlingen in der österreichischen Kleinstadt Poysdorf. Angefangen hat es mit einer kleiner Beratungsstelle für ausländische ArbeiterInnen, dann kamen die Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Zusammen mit inzwischen sechzig HelferInnen hat Maria Loley es geschafft, für 700 Flüchtlinge in dem 5.600 Einwohner zählenden Poysdorf eine neue Heimat zu schaffen. Oft bis weit nach Mitternacht dauert ihr gewöhnlicher Arbeitstag. „Es lohnt sich täglich, die kleinen Schritte zu tun.“ Mit dieser Devise hat sie es geschafft, die Bedenken der Einheimischen gegenüber den Fremden zu zerstreuen. So Maria Loley wurde beim jüngsten Briefbombenanschlag verletztFoto: Reuter

sind nicht nur leerstehende Pfarrhöfe für die Flüchtlinge geöffnet worden, sondern mancher Poysdorfer stellte auch kostenlos ein Haus zur Verfügung.

Früher war die Diplom- Fürsorgerin am Jugendamt und in der Familienberatung tätig. Eine schwere Herzerkrankung zwang Loley in Pension zu gehen. Nur mit vielen Medikamenten kann sie heute ihr selbstgewähltes Pensum bewältigen. „Man kann fremde Mühsal nicht verstehen, wenn man sie nicht selbst zu tragen gelernt hat“, betont die Frau, die ihre Kraft aus der Bergpredigt bezieht. Im letzten Jahr erhielt Maria Loley und ihre Initiative den neu geschaffenen Menschenrechtspreis des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR). Es folgte im Frühjahr der Ehrenring von Poysdorf und am 29. September der Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis.

Doch auch die Aktivisten der rechtsextremen „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ wurden auf die Frau aufmerksam. Zwei Wochen nach der Verleihung des Kreisky-Preises adressierten sie eine Briefbombe an Maria Loley. Wie jeden Tag hatte die Rentnerin auch am vergangenen Montag bei der örtlichen Post die zahlreichen Bitt- und Unterstützungsschreiben aus dem Postfach geholt. Schon der erste Brief, den sie in der Schalterhalle öffnete, explodierte und zerfetzte ihr die linke Hand. Bernd Siegler