Mit der Resozialisierung auf Du und Du
: Ab in den Iran

■ SchülerInnenprotest gegen die Abschiebung eines Mitschülers

„Wenn Farshad abgeschoben wird, dann sollten wir uns überlegen, ob wir die Gesetze noch beachten können, wenn wir sie für falsch halten.“ So redete gestern eine lehrerin vor ihren SchülerInnen. Und sie erntete großen Beifall. Der Grund für die Erregung: Farshad Farsad, ein Schüler aus der Waller Schule Lange Reihe soll als straffällig gewordener Ausländer am 29. September in den Iran abgeschoben werden. Sein Abi könnte er vergessen, und das, obwohl der Justizsenator dem 21jährigen den Freigang für seine schulische Ausbildung gerade erlaubt hatte. Gestern morgen in der Aula berieten mehrere hundert SchülerInnen und ihre LehrerInnen, was gegen die geplante Abschiebung ihres Mitschülers in seine alte Heimat zu tun sei, aus der er 1989 geflohen war.

Weder LehrerInnnen noch SchülerInnen wollen die Begründung für die geplante Abschiebung Farsads durch die Ausländerbehörde akzeptieren: Weil er vor Jahren für einen Tankstellenüberfall wegen Schweren Raubes zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt wurde, soll an ihm das vollzogen werden, was das Ausländerrecht für straffällig gewordene AusländerInnen vorsieht: Sie werden abgeschoben. So einfach sei die Sache aber nicht, meinen die Protestierenden: Weil die Justizbehörden ihn am Jugendresozialisierungsprogramm teilnehmen ließen, konnte Farsad 1994 im Schulzentrum Walle in die 11. Klasse aufgenommen werden, zuerst als Freigänger. Im August wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen und bereitet sein Abitur vor.

Inzwischen hat Farshad Farsad Wohnung, FreundInnen und ist verheiratet. Gunther Meyer, der Abteilungsleiter des Gymnasiums, kann nicht verstehen, warum ein Resozialisierungsversuch, der offensichtlich glückt, abgebrochen werden soll: „Man muß einem jungen Menschen eine neue Chance geben. Nun wird die Hoffnung kaputt gemacht.“

Farsad fühlt sich in Bremen zuhause. Er sieht keine Perspektive im Iran und hat Angst, dort wegen seines christlichen Glaubens, den er vor fünf Jahren angenommen hat, verfolgt zu werden. „Meine ganze Familie ist damals aus politischen Gründen aus dem Iran geflüchtet. Ich kenne dort niemanden mehr“. Er hofft, daß der Religionswechsel vom Verwaltungsgericht als Bleibegrund anerkannt wird: „Der Richter hat gesagt, daß der 29. September nicht das letzte Wort sein muß.“

Doch die Chancen für eine verlängerte Aufenthaltsgenehmigung stehen schlecht. Die Justizbehörden entscheiden nächste Woche darüber, ob sie den Ausländerbehörden empfehlen, die Abschiebung auszusetzen. Die Innenbehörde will jedoch in jedem Fall abschieben: „Es gab zuletzt zwei ähnliche Fälle der iranischen Familien Manafi und Jafari: Da wurde entschieden, daß der Übertritt zum christlichen Glauben im Iran kein Verfolgungsgrund ist“, erklärte gestern Erika Pape-Post, Sprecherin des Innensenators.

In der Schule wächst derweil cdas Entsetzen über die Unnachgiebigkeit der Behörden. Farshad Farsads Mitschülerin Britta Bormann beschreibt die Gefühle von vielen in einem Brief an den Innensenator: „Es ist ein schrecklicher Gedanke, zu wissen, daß ein Mensch, der zu Deinem täglichen Leben dazugehört, den Du gerne hast, bald abgeschoben wird und um sein Leben kämpfen muß.“

Am Montag um 10.30 Uhr findet gegen die Abschiebung eine Demo von der Schule zum Marktplatz statt. ugs