Brüssel verdunkelt die Sonne

Die EU-Kommissarin für Technologie, Edith Cresson, steht im Verdacht, Projekte für erneuerbare Energien entgegen den Vorschlägen des Ministerrates ausbremsen zu wollen  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Mit rüden Methoden versucht die Brüsseler EU- Generaldirektion für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung (DG 12), Fortschritte auf dem Feld der erneuerbaren Energien zu verhindern. Insgesamt etwa 40 Millionen ECU (80 Millionen Mark), die im Rahmen des vierjährigen „Joule“-Entwicklungsprogramms fest für die umweltfreundlichen Zukunftsenergien eingeplant waren, sollten offenbar auf andere Felder der nicht-nuklearen Energieforschung umgeleitet werden. Edith Cresson, die zuständige EU- Kommissarin und frühere französische Premierministerin erklärte zunächst, leider seien nicht genügend qualifizierte Anträge zur Förderung der Erneuerbaren eingegangen. Doch so war es nicht.

Recherchen der bündnisgrünen Euro-Parlamentarierin Hiltrud Breyer und einiger ihrer Kollegen brachten ans Licht, daß eine ganze Reihe zukunftsträchtiger Vorhaben auf dem Feld der Photovoltaik, der Windenergie und der Förderung regenerativer Energien für die Entwicklungsländer zunächst positiv beschieden und erst im letzten Moment auf Veranlassung des zuständigen DG 12-Direktors Ezio Andreta von der Liste der geförderten Projekte gestrichen worden waren. Die Anträge hatten zuvor die Vorauswahl durch eine technische Expertenkommission und die Entscheidung des sogenannten „Konsenskomitees“ mit Bravour überstanden. Das Komitee aus eigens zu diesem Zweck angeheuerten Energieexperten tagt unter dem Vorsitz eines Vertreters Generaldirektion 12.

Der taz liegt eine Aufstellung von allein neun Vorhaben vor, die das Konsenskomitee als unbedingt förderwürdig (Kategorie A bzw. A1) eingestuft hatte. Den nationalen Delegationen der EU-Mitgliedsländer, die die Fördervorschläge der Kommission abschließend bewilligen müssen, lag dagegen eine veränderte Liste vor, in der diese Projekte auf Kategorie B oder C herabgestuft waren und damit keine Realisierungschance mehr besitzen. Hiltrud Breyer spricht von „Fälschung“. Auch Delegierte aus Großbritannien, Irland und Griechenland haben gegen die Eingriffe protestiert. Der EU-Ministerrat und das EU-Parlament hatten ursprünglich einen Schlüssel festgelegt, wonach 62 Prozent der Joule-Mittel (insgesamt etwa 800 Millionen Mark zwischen 1994 und 1998) für regenerative Energien bereitgestellt werden sollten. Nach den Vorschlägen der Generaldirektion 12 entfielen auf Wind, Sonne und Wasser nur noch 40 Prozent.

Am kommenden Montag will sich eine „fact-finding-group“ des EU-Parlaments mit den Manipulationen befassen. Im Gespräch ist auch die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Offenbar als Reaktion auf diese Aktivitäten hat die EU-Kommission inzwischen selbst eine Befragung angeordnet, berichtete gestern die Zeitung „The European“. Ein Cresson- Sprecher bot inzwischen eine neue Erklärung an: Einige Projekte seien herabgestuft worden, weil sie einfach „schlecht“ gewesen seien, andere hätten formale Voraussetzungen nicht erfüllt. Möglicherweise seien bei dem späten Eingriff in die Liste in der Behörde Fehler gemacht worden. Die europäische Sonnenenergievereinigung „Eurosolar“ schätzt, daß etwa 300 Wissenschaftler und Ingenieure ihren Job verlören, wenn die Projekte nicht genehmigt würden.