Der Mut ist verflogen

■ Verfassungsrichter billigen Sudanesen-Abschiebung

Das Bundesverfassungsgericht ist vor den Märchen der Bundesregierung in die Knie gesunken. Noch im August hatte das höchste deutsche Gericht in einer ersten vorläufigen Entscheidung geurteilt, eine Abschiebung der Sudanesen stelle „einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden“ dar. Seither hat sich die Situation im Sudan nicht zugunsten von Oppositionellen geändert. Woher also der Sinneswandel der Verfassungsrichter? Sie scheinen auf die Worte der Bundesregierung vertraut zu haben.

Danach lag angeblich die Zusage der sudanesischen Regierung vor, daß die sieben Bürger nicht gefoltert werden würden. Auch sicherte die Bundesregierung zu, daß die Abgeschobenen Kontakt zur Deutschen Botschaft vor Ort halten könnten. Das sind, wenn nicht Lügen im klassischen Sinn, so doch zumindest Aussagen ins Blaue. Denn wie kommt die Bundesregierung darauf, einem notorischen Folterregime zu vertrauen? Einem Regime, das von amnesty international noch in diesem Jahr angeklagt wurde, systematisch die Menschenrechte zu verletzen. Einem Regime, das Hunderte von politischen Gefangenen ohne Gerichtsverhandlung über Monate hinweg festhielt und Unschuldige willkürlich tötete?

Noch ein anderes Indiz weist auf ein „taktisches Verhältnis zur Wahrheit“ (so die Bundesanwaltschaft seinerzeit zu dem Ex-RAFler Peter-Jürgen Boock) seitens des Bundesinnenministers Kanther hin. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums hat gesagt, es sei „absolut absurd“, daß der afrikanische Staat Eritrea sich zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit erklärt habe. Der Sprecher der Hessischen Landeskirche, Joachim Schmidt, versicherte, daß Bischof Steinacker vorgestern vormittag, also noch bevor die Sudanesen in ein Flugzeug gesteckt wurden, ein Fax an das Bundesinnenministerium geschickt habe. Dort stellte er ein sicheres Drittland in Aussicht (gemeint war Eritrea) und verwies auf dessen mündliche Zusage.

Wieso sich das Bundesverfassungsgericht in diesem einen Fall zum Büttel der Bundesregierung gemacht hat, werden erst die schriftlichen Urteilsgründe klarstellen. Dennoch: Noch im Februar hatte sich die Präsidentin Jutta Limbach getraut, zu sagen: „Das Asylrecht ist mit heißer Nadel genäht.“ Sie hatte kritisiert, daß das höchste Gericht wieder und wieder Feuerwehr spielen müsse, um widerrechtliche Abschiebungen zu verhindern. Sie hatte sich vor die Menschen und gegen die Macht der Exekutive gestellt. Nun scheint der Mut verflogen. Julia Albrecht