Der taz auf den Pelz gerückt

■ Der Architekt Thomas Herzog entwarf für MetaDesign ein Öko-Kreativ-Haus an der Kochstraße. Der Neubau nimmt dem taz-Haus Licht und Sonne weg.

Wie sieht ein Haus für Designer aus? High-Tech-mäßig, mit schrägen Wänden und Decken oder wahnsinnig kreativ? Wohl kaum. Eher konventionell mit kleinen Besonderheiten, denn Designer sind meist konservative Leute.

Einen Glasbaustein wünschen sich die Kreuzberger Kommunikationsexperten von MetaDesign als Neubau in der Kochstraße – neben dem taz-Haus. Nach einem Entwurf des Münchener Architekten Thomas Herzog soll hier ein siebenstöckiges Bürogebäude entstehen, für Graphiker und Computerfreaks und mit megageilen Workstations.

Herzog entwarf ein Gebäude, das sich von den üblichen Betonwürfeln, die in der Friedrichstraße hochgezogen werden, unterscheiden soll.

Die Fassaden des 34 mal 10 Meter großen Baus sind verglast, die Seitenwände zu grünen Gewächshäusern umgestaltet worden. Ins Erdgeschoß packten die Planer eine öffentliche Kantine (neudeutsch: Casino) und auf das Dach eine Wiese mit Atrium und Wasserbecken zur „Recreation“ der Designer. Sonnenspiegel auf dem Dach, die das Licht in den Hof und in die Büros lenken sowie ein ökologisches Energiekonzept (Ökoschornsteine) bilden zusätzliche Facetten eines zeitgemäßen Bauprogramms. Konventionell ist der rechteckige Baukörper, der die klassischen Arbeits- und Produktionsstätten zum Vorbild nimmt und nichts von den neumodischen Steinkästen mit langweiligen Dachaufbauten oder protzig- nichtssagenden Eingangsportalen nachahmt. Die Fassade ist glatt, sachlich und bildet einem unspektakulären modernen Rhythmus, wie viele High-Tech-Öko-Bauten des Münchener Architekten. Und trotzdem paßt der Bau in seiner geplanten Größe nicht neben das taz- Haus, rückt es ihm doch viel zu sehr auf den Pelz und macht es mit seiner Höhe und Masse klein und degradiert das rückwärtige Altersheim zum Hinterhof. Statt das MetaDesign-Haus an die Brandwand des Altenheims anzuschließen, stellte Herzog den Bau frei, so daß sich eine hohle Gasse auf der Rückseite zwischen Neu- und Altbau bildet, die auch durch das Sonnenlichtumlenk-Schnickschnack kaum heller wird. Dort brechen sich die Alten mit Sicherheit ein Bein.

Auch das taz-Haus müssen der Architekt – und die MetaDesigner, die eine größtmögliche Fläche herausschinden wollen – schlichtweg übersehen haben, denn der Neubau steht nicht nur auf der rechtlich garantierten Zufahrt, sondern viel zu nah am Pressehaus. Tritt man auf die Balkone, ist das Glashaus zum Greifen nah. Und den Redaktionsräumen dahinter fehlte dann das Licht. Das können auch grüne Wandvorhänge schlecht ausgleichen.

In den vergangenen Jahren ist der Neubau der taz mit seinen ausschwingenden Balkonen und der lichten Konstruktion zu einem städtebaulichen Markenzeichen an der Kochstraße geworden. Gerade nach Osten, in Richtung Springer-Hochhaus, bricht der Bau nicht ab, sondern stellt eine Fassade aus mit Balkonflügeln, Fensterbändern und einem Glasturm für das Treppenhaus. Das alles würde hinter MetaDesign verschwinden. Ein Stück Stadt ginge verloren. Und das kann wohl MetaDesign nicht wollen. Weniger ist auch in diesem Fall mehr. Rolf Lautenschläger