"Perspektive für Frieden"

■ Der serbische Präsident Miloevi verhandelt in Belgrad mit US-Unterhändler Holbrooke. Mit den bosnischen Serben bildet er eine gemeinsame Kommission

Berlin (taz) – Die Nato bombardiert seit zwei Tagen serbische Stellungen in Bosnien – doch eine scharfe Reaktion der Serben blieb bisher aus. Zwar lehnte es der Militärführer der bosnischen Serben, Ratko Mladić, ab, die Forderung der Nato für eine Beendigung der Angriffe zu erfüllen und die schweren Waffen aus Sarajevo abzuziehen. Zugleich erklärte sich Serbenchef Radovan Karadžić jedoch bereit, weiter an Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges in Bosnien teilzunehmen. In Belgrad verurteilte der serbische Präsident Slobodan Milošević die Bombardierung der serbischen Stellungen zwar pflichtgemäß, seinen Termin mit dem US-amerikanischen Unterhändler Richard Holbrooke sagte er aber nicht ab. Im Gegenteil: Die Gespräche dauerten außergewöhnlich lang und in einer Pause äußerte sich Milošević so positiv wie nie zuvor über den US-Friedenplan. Er biete eine „echte Perspektive für Frieden“.

Offenbar ist es dem serbischen Präsidenten nun auch gelungen, die Politik der bosnischen Serben nicht nur zu beeinflussen, sondern zu bestimmen. Die drei führenden Politiker der bosnischen Serben, Karadžić, Mladić und Parlamentspräsident Momcilo Krajisnik, erklärten sich bereit, in Zukunft in einer gemeinsamen Kommission mit Milošević an Friedensverhandlungen teilzunehmen. Diese sechsköpfige Kommission ist zwar paritätisch mit Vertretern aus Pale und Belgrad besetzt, bei Streitfragen soll jedoch Milošević das letzte Wort haben. In dem am Dienstag unterzeichneten „serbisch-serbischen Abkommen“ erklären sich die bosnischen Serben außerdem bereit, ihre „Betrachtungsweise“ des Friedensprozesses der von Rest-Jugoslawien „vollkommen“ anzupassen. Das bedeutet, daß die Pale-Serben bereit sind, sich mit 49 Prozent des Territoriums von Bosnien-Herzegowina zufriedenzugeben. Noch letzte Woche hatte Karadžić 64 Prozent für sich gefordert.

Zu den Unterzeichnern des Abkommens gehört auch das Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Pavle. Da er in letzter Zeit zu den schärfsten Kritikern von Milošević zählte, ist anzunehmen, daß auch die nationalistische serbische Opposition das Abkommen unterstützt.

Warum Karadžić nun bereit ist, sich dem serbischen Präsidenten unterzuordnen, darüber wurde gestern in Belgrad spekuliert. Als sicher gilt, daß Karadžić so die drohende Entmachtung durch Ratko Mladić verhindern konnte. Der Militärchef der bosnischen Serben ist seit langem der „Mann“ von Milošević in Pale. Das serbisch-serbische Abkommen garantiert Karadžić nun, über die Zusammensetzung des bosnisch-serbischen Teils der Delegation zu bestimmen. Hier hat Milošević keinen Einfluß. Das Treffen zwischen den beiden Serbenführern war das erste seit langer Zeit. Vor einem Jahr war Karadžić die Einreise nach Serbien verboten worden, da er den Friedensplan der Kontaktgruppe abgelehnt hatte.

Völlig unklar ist jedoch der Zusammenhang zwischen der bosnisch-serbischen Zustimmung zum US-Friedensplan und dem schweren Angriff auf Sarajevo vom Montag. Die bosnisch-serbischen Politiker hatten am vergangenen Wochenende in Belgrad über den US-Friedensplan diskutiert. Nur wenig später erlebte Sarajevo einen der schwersten Granatangriffe des Krieges, und am Dienstag bewertete das „Parlament“ in Pale den US-Vorschlag dann als positiv. Da Mladić sich zum Zeitpunkt der Bombardierung des Marktplatzes in Belgrad aufhielt, könnte der Befehl für diesen Angriff von einem seiner Gegner gekommen sein. Sabine Herre