"Blavatzkys Kinder" - Teil 41 (Krimi)

Teil 41

„Das Netz?“ fragte Robert.

„Nun, sagen wir, das Netz ist ein Verbund von Antifas, die loyal, klug und auch körperlich ziemlich gut drauf sind. Etwa dreißig Leute aus der ganzen Bundesrepublik. Wir feiern irgendwas ... Wir haben seit Jahren in einem Erdkeller Waffen versteckt, weil wir mit Neonazi-Angriffen rechneten.“

Alle sahen Robert und Miriam an.

„Gut“, sagte Miriam. Sie war nicht überrascht. „Aber wir haben die Kasernen gesehen und einen Teil ihrer Waffen. Wir brauchen die Bullen. Diesmal. Wenn wir die Sache in der Hand behalten wollen, sollten wir es auf folgende Weise machen.“

* * *

Das Telefon klingelte.

„Ja.“

„Chef, Anruf aus Frankfurt. Unser Mann in der Staatsanwaltschaft.“

Schulte nahm das Gespräch an. Er stellte seine Stimme auf herzlich. „Na, mein lieber Freund? Was haben Sie für uns?“

„Kamerad Schulte, es gibt Probleme“, sagte der Informant am anderen Ende der Leitung.

Schulte war nicht beunruhigt. „Ja, wir wissen davon.“

„Sie wissen es schon? Aber haben Sie auch eine Ahnung, wie gefährlich das für Sie werden kann?“

Schulte runzelte die Stirn. „Gefährlich? Sie haben versucht, bei uns einzubrechen. Wir haben sie leider nicht erwischt. Es gibt Hinweise darauf, wer es war ... Was geht das die Frankfurter Staatsanwaltschaft an?“

Der Informant war nervös. „Ich weiß nicht, wer versucht hat, bei Ihnen einzubrechen, Kamerad, aber hier geht es um etwas ganz anderes. Man ermittelt gegen Sie wegen unerlaubtem Waffenbesitz, Kinderhandel und Bildung einer terroristischen Vereinigung. Es wird ernst ...“

Schulte war entsetzt. Damit hatte er nicht gerechnet.

* * *

Benjamin ahnte nichts, aber er schlief auch ohne dieses Wissen keine Nacht durch. Man hatte ihm Diwnas genommen, und er fühlte sich schuldig. Hätte er sie nicht zur Flucht überredet und sich nicht so dumm angestellt, wäre sie noch bei ihm.

Diwnas lag seit Tagen auf der geschlossenen Station. Geschlossen waren die Krankenstationen in der Klinik des Lebenshofes eigentlich alle. Hier wurden die Patienten so stillgelegt, daß sie nicht einmal hätten fliehen können, wenn alle Türen weit offengestanden hätten.

Das Mädchen, das zu dunkelhäutig war, um in das Zuchtprogramm des Lebenshofs zu passen, war gut genug, um ausgeschlachtet zu werden. Seit heute gehörte sie zur Kategorie II.

Wen kümmerten schon Schädelproportionen, Haut- und Augenfarbe und Gene, wenn so gesunde Organe zu verwerten waren? dachte Dr. Trautwein. Die gekühlten Transportbehälter und die beiden Fahrer standen bereit.

Er wollte zuerst beide Nieren entnehmen. Danach die Lunge. Das Herz. Die Eierstöcke wurden nicht verkauft, sondern hier im Haus genutzt, Sehnenhäute, Hornhäute. Leber. Die Därme konnte man in einer Spezialklinik für Versuche brauchen. Knochen, Knochenmark. Was dann von der Zigeunerin übrigblieb, mußte verbrannt werden. Das Mädchen brachte dem Lebenshof eine viertel Million ein.

Dr. Trautweit nickte der Schwester zu. Die prüfte die Narkose. Er setzte das Messer an.

* * *

Rolf war auf dem Hof geblieben und hörte den Funkverkehr des Lebenshofes ab.

„Code 2004. Code 2004. Roger.“

„Code 1933. Hier Code 1933. Was gibt's? Roger.“

Es rauschte fürchterlich.

„... Krrz ... OSS ruft F ... chzz ... OSS ruft ...“

Dann war die Leitung für einen Moment klar.

„Hier New York. Referent F. Machen Sie Meldung. Roger.“

„Achtung! Code 80545. Code 80545. Haben Sie verstanden? Roger.“

„Wiederholen Nachricht. Habe verstanden Code 80545. Ist das korrekt? Roger.“

„Krzz ... chchzz ... Führer sofort ...“

„Code 80545 verstanden. Nächster Flug Rheinmain. Krrzz. Verstanden. Alarmstufe III.“

„Idiot! Code 80545. Code 80545! Sonst nichts. Kapiert?“ Roger und Ende.“

Rolf legte nachdenklich den Kopfhörer auf seine Knie. Er las seine Mitschrift dreimal, Silbe für Silbe. Es konnte nichts anderes bedeuten. Er ging zum Telefon.

Sie besuchten Paul ein letztes Mal, bevor sie nach Bayern fuhren. Der hatte eine Nachricht erhalten: „Großgrundbesitzer vermutlich aus STA-Kreisen gewarnt. Große Aufmerksamkeit und große Eile. Rolf.“ STA bedeutete Staatsanwaltschaft. Also doch.

Die Nachricht beschleunigte ihre Pläne. Lisa würde noch heute das Netz alarmieren.

„Übermorgen früh in der Morgendämmerung schlagen wir zu. Vierundzwanzig Stunden vor den Bullen. Wenn dort tatsächlich Kinder gefangengehalten werden, gehen wir ein furchtbares Risiko ein. Aber wenn wir auf die Polizei warten, sind die Kinder tot, da bin ich mir sicher.“

„Habt ihr den Telekomwagen?“ fragte Paul.

„Ja. Wir kommen als Handwerker, nachdem wir vorher einen vollständigen Kommunikationsausfall herbeiführen. Mitten in diesen Aktivitäten werden sie scharf darauf sein, ihre ISDN-Leitung wieder hinzukriegen. Wir haben ihre Telefonleitung angezapft und spielen Störstelle.“

„Ihr paßt nicht alle in die beiden Lieferwagen“, warf Paul ein.

Fortsetzung folgt