Pekinger Konferenzfeminismus

Die Weltfrauenkonferenz der UNO: Während NGO-Frauen sich im Lobbying üben, wollen religiöse Fundamentalisten die Rechte von Frauen aushebeln  ■ Von Karin Gabbert

Noch bevor es richtig losgegangen ist, gilt sie schon als die größte ihrer Art: die Weltfrauenkonferenz der UNO. Zwischen 50.000 und 60.000 Frauen und Männer werden nach UN-Schätzungen in Peking erwartet. Rund 10.000 von ihnen gehören offiziellen Regierungsdelegationen und UN-Organisationen an. Doch worum wird es ihnen in Peking gehen? Und was wird am Ende dabei herauskommen, wenn eine Konferenz unter dem Motto „Gleichheit, Entwicklung und Frieden“ tagt? Im Gegensatz zur Umweltkonferenz der UNO in Rio 1992 kann sich niemand in Peking als Retter präsentieren, niemand wird zur Verantwortung gezogen.

Die drei bisherigen Frauenkonferenzen der UNO (1975 in Mexiko, 1980 in Kopenhagen, 1985 in Nairobi) waren stets Schauplatz internationaler Konflikte. Jedesmal drohte die Konferenz zu scheitern – nicht weil die Regierungen unterschiedliche Positionen zur Frauenpolitik vertraten, sondern weil sie über Zionismus, Apartheid und Imperialismus stritten. Seit dem Ende des Kalten Krieges haben sich die Konfliktfelder verändert. Spätestens seit letztem Jahr, als in Kairo das Thema Bevölkerungspolitik zur Debatte stand, dominieren religiöse Fundamentalisten die UN-Konferenzen; und so wird es auch in Peking sein. Da ist zum einen der Vatikan. Ihm geht es darum, ein Abtreibungsverbot durchzusetzen und zu verhindern, daß Frauen reproduktive Rechte zugestanden werden. Eine Reihe lateinamerikanischer Länder unterstützt ihn dabei bedingungslos und auf absurde Weise. So hat die honduranische Regierung nur die AbtreibungsgegnerInnen von Opus Dei bei der Weltkonferenz einbezogen und in ihrem Dokument zu Peking die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen am öffentlichen Leben in Frage gestellt.

Islamistische Regierungen ziehen am gleichen Strang wie der Vatikan. Der Iran wehrt sich dagegen, daß Frauenrechte als Menschenrechte definiert werden, und will im gesamten Abschlußdokument den Ausdruck „gleiche Rechte“ durch „gleichwertige Rechte“ ersetzen. Der Sudan weigert sich, eine Verurteilung der Genitalverstümmelungen mitzutragen. Nach neuesten Zahlen der UNO müssen in zwanzig afrikanischen Ländern die Hälfte aller Mädchen Klitorisbeschneidungen über sich ergehen lassen. Das Abschlußdokument von Peking, die sogenannte „Aktionsplattform“, in der die Regierungen der Welt ihre Frauenpolitik bis zum Jahr 2000 festschreiben wollen, droht zur Farce zu werden. Eigentlich sollte das Dokument – wie üblich – schon im Vorfeld der UN-Konferenz fertiggestellt sein. Doch Vatikan und Iran legten bei der letzten Vorbereitungskonferenz ihr Veto ein; ein gutes Viertel der Abmachungen wurde wieder mit Klammern versehen und muß neu verhandelt werden. Der Vertreter der Europäischen Union, so wird berichtet, soll daraufhin entnervt vorgeschlagen haben, im gesamten Dokument das Wort „Frau“ in Klammern zu setzen.

Auch der UN-Menschenrechtskommissar José Ayala Lasso kritisierte im Vorfeld den Entwurf. Er schrieb an UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali, die Aktionsplattform sei weder mit den Ergebnissen der UN-Menschenrechtskonferenz noch mit der 1946 verabschiedeten „Universellen Erklärung der Menschenrechte“ zu vereinbaren. Indem die Grundrechte von Frauen religiösen und kulturellen Überzeugungen untergeordnet würden, sei der Gleichheitsgrundsatz gefährdet.

Die parallel zur Weltfrauenkonferenz stattfindenden Foren der regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) waren stets ein Gradmesser für den Stand der internationalen Frauenbewegungen. 1975 in Mexiko bestimmten die Frauenbewegungen des Nordens die Diskussion, 1985 in Nairobi waren es die Frauen aus dem Süden.

Heute sind die Frauenbewegungen in allen Ländern geschwächt und zersplittert. Erst während der Konferenz wird sich zeigen, ob sich noch gemeinsame Themen herauskristallisieren. Doch eins ist jetzt schon klar: Seit der Umweltkonferenz in Rio 1992 haben Feministinnen eine neue internationale Politikform entwickelt. Vor allem US- amerikanische Frauengruppen entwickelten sich zu „Konferenzfeministinnen“ und „Berufslobbyistinnen“ auf UNO-Ebene. Enthusiastisch, effektiv und gründlich nutzen sie die Weltkonferenzen, um feministische Forderungen in den Dokumenten unterzubringen.

Am erfolgreichsten waren sie auf der UN-Menschenrechtskonferenz in Wien 1993. Dort setzten sie im offiziellen Regierungsplenum durch, daß private Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung definiert wurde. Ein weiterer Erfolg der Frauen in Wien: Die Vereinten Nationen ernannten eine UN-Sonderberichterstatterin für Frauenrechte.

Gerade diese Politik der kleinen Schritte auf dem großen internationalen Parkett fasziniert die feministischen Lobbyistinnen. Egal, ob diese Politik Auswirkungen auf die Realität hat. Die UN-Sonderberichterstatterin für Frauenrechte stellte in einem ihrer ersten Berichte fest, daß die Gewalt von Männern gegen Frauen weltweit zugenommen hat. „Sind wir wirklich realistischer geworden, oder versehen wir den zynischen Pragmatismus nur mit einer neuen Ethik?“ kommentiert die mexikanische Feministin Rosa Rojas. Und die Journalistin Christa Wichterich befürchtet, die Lobbybewegung könnte sich zu einem Wasserkopf der schwachen Frauenbewegungen entwickeln.

Im Gegensatz zu den USA sind feministische Berufslobbyistinnen in Deutschland eine Rarität. Dafür zeichnet sich die deutsche Frauenbewegung durch eine andere Besonderheit aus: Sie demonstriert Zerstrittenheit. Ost- und Westfrauen bereiteten die Weltfrauenkonferenz zuletzt völlig getrennt voneinander vor. Zu einem Vorbereitungstreffen in Bonn kam eine einzige Ostfrau, die Westfrauen ignorierten eine Tagung in Potsdam. Immerhin wurde kurz vor der Abreise nach Peking noch die Parole ausgegeben, sich auf dem Forum der regierungsunabhängigen Organisationen zu treffen. Dort wollen Ost- und Westfrauen dann über die Situation von Frauen im Jahr fünf nach der deutschen Einheit diskutieren. Offensichtlich brauchen die Frauen aus Potsdam und Bonn für solch eine Annäherung den Umweg über Peking.