"Blavatzkys Kinder" - Teil 37 (Krimi)

Teil 37

„Weiß ich nicht. Müssen Sie entscheiden. Ich hatte in den sechziger Jahren die Illusion, die Polizei könnte reformiert und eine demokratische Einrichtung werden. Ein sozialdemokratischer Polizist unter einem sozialdemokratischen Innensenator, der nichts Besseres zu tun hatte, als der Hamburger Polizei wieder einige alte Strukturen aus der Zeit vor 1945 zu erlauben. Die Folge haben wir heute, Rechter Korpsgeist. Rassismus. Terror gegen Menschen mit anderer Hautfarbe, gegen Obdachlose. Haß auf alles, was nach links riecht.“

„Ganz schön naiv. Niemand hat Sie gezwungen. Sie hätten sich einen anständigen Job suchen können.“

„Ja. Statt dessen leistete ich mir die nächste Naivität. Eine Nische suchen, Rechtsextremisten bekämpfen. Ich dachte, das wäre eine sinnvolle Aufgabe.“

„Und? Da gibt es doch einen Haufen zu tun?“

„Wie bei den Drogen kommen wir hier nie an die Hintermänner. Kaum habe ich einen im Visier, hält einer weiter oben eine schützende Hand drüber. Kleine Nazis kriegen wir manchmal, kleine braune Fische und viele Informationen, die uns nichts nützen. Manchmal nicht mal das, weil die Polizei selbst ..., aber das wißt ihr ja selbst.“

„Was soll dann das Ganze?“

Drabert sah sie an.

„Na, wenigstens lügen Sie nicht“, urteilte Miriam großzügig.

„Raus aus der Stadt?“ fragte Drabert, als sie neben seinem Auto standen. Sie erreichten Lübeck- Travemünde am Nachmittag. Wie an jedem sonnigen Sonntag war die Kurpromenade mit Menschen verstopft. Am Ende der Promenade stiegen sie leicht bergan und spazierten das Brodtener Steilufer entlang.

Robert erzählte von Soliza, von den verschwundenen Kindern, den Fluchthelfern, den Szenen an der Grenze, dem Angriff auf Paul, dem Lebenshof, den Söldnern und wie sie gejagt worden waren.

„Wieso erzählen wir ihm das alles?“ fragte Miriam.

„Weil wir auf der Stelle treten.“

„Was sind das für Zeiten, in denen man mit Bullen paktieren muß?“

„Beschissene“, gab Drabert zu.

„Mir fällt nichts Besseres ein. Wie stellen Sie sich das vor?“

„Wir lassen die Hamburger Polizei aus dem Spiel. Mit den bayerischen Kollegen ist vermutlich auch nichts anzufangen. Wer da in Amt und Würden kommt, ist für uns uninteressant. Ihr agiert offensichtlich hauptsächlich von Frankfurt aus. Da lebt ein Freund von mir. Reinhart Lewerenz. Frustrierter alter Linker wie ich. Staatsanwalt. Sonderabteilung für organisiertes Verbrechen. Lewerenz ist der einzige, den ich kenne, der es geschafft hat, ein Ermittlungsteam zusammenzustellen, aus dem Informationen nicht nach draußen dringen. Ausnahmsweise korruptionsfrei.“

„Der soll dann drei Jahre ermitteln?“ fragte Miriam.

„Wir stellen Bedingungen. Er weiß nicht, wo der Hof ist. Er kennt die Namen der Beteiligten nicht“, ergänzte Robert.

„Wir erfahren alle Ermittlungsergebnisse und den Zeitpunkt, wann gegen den Hof vorgegangen wird. Wir sind im engeren Stab vertreten und sind dabei, wenn es losgeht. Wer von unserer Seite als Zeuge in den Ermittlungsakten erscheint, bleibt unsere Angelegenheit.“

* * *

„Ich bin nicht scharf auf Hilfe von den Bullen. Wir haben die Sache nicht mehr in der Hand.“ Miriam stiefelte vor ihm die Treppe hinauf.

„Haben wir sie jetzt in der Hand?“

Bis zu einem gewissen Grad, ja. Wir haben die Informationen. Die nicht.“

Robert schloß seine Wohnungstür auf. In diesem Moment hörten sie das Telefon. Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Irgenwer quatschte schon vor dem Pfeifton los.

„... Karo, Karo, Karo. Mensch, seid ihr vielleicht mal da? Los, ran! Dies ist der hunderttausendste Anruf und ...“

Miriam ließ ihren Rucksack fallen und nahm den Hörer ab.

„Kern bei McLeod.“

„Hallo! Ich bin's. Karo. Erinnerst du dich? Ich war bei dem tollen Krach dabei, als Angie und Sabine dumm ... im Café. Die anderen haben alle einen an der Klatsche. Die glauben nicht, daß es ernst ist. Gut, ich warte, bis du dich gesetzt hast. Gestern morgen haben mich die Bullen um fünf Uhr aus dem Bett geholt. Die haben bei uns nach Max gesucht. Max hat eine Nacht vorher hier gepennt, weil er total besoffen war. Als ob der dann in der nächsten Nacht noch hier wäre. Nach Max haben sie gesucht, aber ich war's auch. Die ganze patriarchale Kacke ist manchmal echt günstig. Sie trauen dir kein anständiges Verbrechen zu! Also, die Bullen kamen, klingelten pseudomäßig und rannten mit Gebrüll die Tür ein. Natürlich haben wir noch geschlafen. Und sie haben kein bißchen weggeguckt, als ich aus dem Bett taumelte. Echte Arschlöcher! Zwei standen vor meinem Bett und zwei andere wühlten in meinen Schränken. Dürfen die nicht. Bei so Leuten wie uns scheißen die auf jeden rechtlichen Schein. Und mitgenommen haben sie natürlich alles aus Papier, Videos, wo nix draufstand, Bücher. Mein Tagebuch haben die Deppen nicht gefunden. Ist auf 'ner Diskette und kommt täglich ins Gefrierfach ... Die haben blöd geguckt, als ich 'ne Quittung von ihnen wollte für Sachen, die sie mitgehen ließen. Quittung war nicht. Richtig illegal. Von den Typen in der Wohnung haben sie sich die Persos geben lassen und die Daten in ihr Gerät genuschelt. Die beiden waren sauber wie Kinderärsche.

Nur mich haben sie mitgenommen. Dreiundzwanzig Stunden hab' ich in so 'ner Scheißzelle rumgehangen. Mann, ist das beschissen da. Zweimal haben sie mich rausgeholt und ausgequetscht. ,Wen willst du sprechen, Kleine?‘ hat der Oberarsch mich gefragt.“

Fortsetzung folgt