"Muß Steffi ins Gefängnis?", fragte "Bild" schon zu Beginn der Steueraffäre Graf. Muß sie nicht, der Staatsanwalt kann die Nation beruhigen. Zwar wird auch gegen die Tennisspielerin ermittelt - gesucht werden zehn Millionen Mark. Aber ander

„Muß Steffi ins Gefängnis?“, fragte „Bild“ schon zu Beginn der Steueraffäre Graf. Muß sie nicht, der Staatsanwalt kann die Nation beruhigen. Zwar wird auch gegen die Tennisspielerin ermittelt – gesucht werden zehn Millionen Mark. Aber anders als bei Vater Peter, der am Mittwoch in Brühl festgenommen wurde, besteht beim deutschen Denkmal keine Fluchtgefahr.

Spiel, Steuersatz und Knast: Dunkelmann auf dünnem Ast

Die Nachricht schlug ein wie eine Vorhand von Arantxa Sanchez-Vicario. Und es gab nichts mehr zu returnieren: Steuerbetrug, schwarze Konten, Scheinfirmen, Hausdurchsuchung auf dem 27.000 Quadratmeter großen Grafschen Anwesen in Brühl – am Mittwoch wurde dann Clanchef Peter Graf, 57, zu Hause verhaftet.

Journalistisch begleitet wurde die Steuerchronik der Familie von einer zunehmend besorgten Bild- Zeitung, die die Nation mit der Zeile „Muß Steffi ins Gefängnis?“ schon zu Beginn der Affäre in eine Sinnkrise stürzte. Und Frau Graf gleich mit. Denn die versteht, wie der Spiegel am Montag via einem sogenannten „Vertrauten“ enthüllte, nun „die Welt nicht mehr“.

Aber kann, wer seinen Vater nicht durchschaut, die Welt begreifen? Mit dem Verständnis der Steuererklärung wäre es ja schon getan. Aber für den Komplex Finanzen war im Hause Graf ohnehin der Papa verantwortlich. Also jener Herr, der 1993 am Hamburger Rothenbaum die 450.000- Mark-Prämie in Plastiktüten verstaute („Bitte in kleinen Scheinen“) und überhaupt in finanziellen Dingen seinem Credo treu blieb: „Die Steffi will, daß ich immer für sie da bin. Und nicht nur zum Doppelkopfspielen.“

Seit Mittwoch muß sich Peter Graf seine Zockpartner in Hohenasperg im Knast suchen, wo schon RAF-Häftlinge zwangsernährt wurden. Und wenn es stimmt, was der Bochumer Psychotherapeut Ulrich Sollmann behauptet, daß nämlich Steffi Graf „in einem narzißtischen Netz gefangen ist, aus dem ein Ausbrechen nur schwer möglich ist“, dann gilt das erst recht für ihren Vater: Oberstaatsanwalt Peter Wechsung gestern in Mannheim: „Ich sehe keine Möglichkeit, den Haftbefehl gegen Kaution auszusetzen.“

Wie konnte es dazu kommen, daß der badische „Mark-Graf“ (dpa) einsitzen muß? Der ehemalige Gebrauchtwagenhändler (Bild: „Ist er größenwahnsinnig?“) ist schlicht über seine Raffgier gestolpert. Mitbeteiligt: Ion Tiriac. Der veranstaltet in Essen ein renommiertes Frauenturnier und forderte ein bereits gezahltes Antrittsgeld zurück, nachdem Steffi Graf ihre Teilnahme abgesagt hatte. Peter Graf lehnte ab – man traf sich vor Gericht.

Der strittige Betrag erschien den Richtern für die Graf-Familie (geschätztes Vermögen: 100 Millionen Mark) bescheiden. Sie stutzten vielmehr über die eigenartigen Zahlungswege – die Steuerfahndung wurde eingschaltet. Vornehmlich der Spiegel beschrieb in den vergangenen Wochen akribisch, durch welche dubiosen Kanäle Graf-Gelder geflossen waren. Ausgebreitet wurde ein Szenario wie der Plot eines „Tatort“-Krimis: Sinistre Typen, Briefkastenfirmen in Amsterdam und Monaco, geheime Konten in der Schweiz, große Summen wurden gleich kofferweise durch die Gegend geschleppt – Peter Graf mochte offenbar von seiner Leidenschaft nicht lassen: „Nix geht über Cash.“

O-Ton der fleißigen Magazin- Rechercheure über die „Operation Goldfinger“, bei der von der Firma Südmilch eine Million bar einem Graf-Vertrauten zugesteckt wurde: „Das Geld sollte Ivan Radosevic am Amsterdamer Flughafen Schiphol ausgehändigt werden, der Bote sollte mit einem anthrazitfarbenen Mercedes 200E und einem leeren Koffer kommen und sich mit einer SMG-Vollmacht sowie einem deutschen Paß mit der Nummer F 23318678 ausweisen.“

Die peinliche Agentennummer flog im Zuge der Ermittlungen ebenso auf wie die Mär, mit der die Grafs sich stets als treue deutsche Steuerzahler ausgaben. Während andere Großverdiener wie Michael Schumacher und Boris Becker nach Monaco oder Richtung Österreich (Stich) flüchteten, bemühten die Grafs immerzu das heimatliche Rührstück: Wir bleiben hier, wir zahlen brav.

Nur nicht genug. In den vergangenen vier Jahren, so der Vorwurf der Fahnder, habe der Tennisclan keine Steuererklärung abgegeben. Später wurden 7,5 Millionen Mark an den Fiskus weitergereicht – bei geschätzten Bruttoeinnahmen von 35 Millionen Mark. Verblüffend: der Höchstsatz für Steuern liegt bei 53 Prozent.

Hat Steffi Graf, 26, von alledem nichts gewußt? Im Visier der Steuerfahnder und der Medien ist bislang allein Vater Peter, ein Mann, der schon immer als dämonisches Über-Ich der Tennisspielerin galt. Nicht nur, daß der einstige Schrottverkäufer durch egomanisches Verhalten und verbale Rüpeleien als Enfant terrible durch die Tennisszene polterte; seine gerichtsnotorische Affäre mit dem Callgirl Nicole Meissner erhob ihn endgültig in den Stand des Rabenvaters: Die schwangere Meissner drohte, seine vermeintliche Vaterschaft zu outen. Worauf Graf 800.000 Mark Schweigegeld abführte – bar und, wie sich Zeugen erinnern, in diversen Beutelchen.

Je finsterer der Dunkelmann Peter Graf erschien, desto heller und unschuldiger wirkte die Tochter. Der Kölner Schlagersänger Guido Horn verstieg sich zu einer melodiösen Sympathiebekundung: „Ich mag Steffi.“ Oberstaatsanwalt Peter Wechsung indes ist von solchen Emotionen frei, er sagte gestern knapp: „Steffi Graf ist Mitbeschuldigte.“ Harry Konopke