„Polizei und Politik sind schuld“

■ Hungerstreik-Tote: Ehemann erhebt schwere Vorwürfe / Aussage eines Arztes

Die Familie der verstorbenen Kurdin Gülnaz Baghistani hat gestern der deutschen Regierung und der Berliner Polizei die Schuld an dem Tod der fünffachen Mutter zugewiesen. „Die regressive Politik gegen die Kurden in Deutschland und die barbarische Vorgehensweise der Polizisten bei der Räumung der Hungerstreikenden sind für den Tod meiner Frau verantwortlich“, klagte Ehemann Hadi Baghistani. Er gab dem kurdischen Exilparlament die Vollmacht, rechtliche Schritte einzuleiten, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Gülnaz Baghistani hatte sich seit dem 14. Juli an der Protestaktion der etwa 200 hungerstreikenden KurdInnen vor der Gedächtniskirche beteiligt. Sie war einen Tag nach der polizeilichen Räumung am Donnerstag vergangener Woche aus bislang ungeklärter Ursache gestorben.

Nach Angaben eines der Ärzte, der die Hungerstreikenden am Breitscheidplatz untersucht hatte, war Gülnaz Baghistani schon am Dienstag sehr geschwächt. Wie Dr. Hassan Mohamed-Ali, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde und Internist an der FU, gestern gegenüber der taz erklärte, habe er bei ihr einen niedrigen Puls festgestellt. Allerdings habe er die 41jährige nicht richtig untersuchen können, weil sie – wie viele kurdische Frauen – sich nicht von einem männlichen Arzt berühren lassen wollte.

Mohamed-Ali nahm ihr aber nach eigenen Aussagen das Versprechen ab, das Fasten abzubrechen, falls sich ihr Zustand verschlechtern sollte. Nach der Räumung am Breitscheidplatz zog Gülnaz Baghistani mit den anderen Hungerstreikenden in das Kurdistanhaus in die Zossener Straße. Dort wurde sie von dem FU-Arzt zum letzten Mal am Mittwoch abend untersucht. Um ihren schwachen Puls anzuheben, habe er sie ein paarmal langsam die Treppen rauf- und runtersteigen lassen.

Weil er sich um weitere Patienten kümmern mußte, konnte Mohamed-Ali die Kurdin aber nicht weiterbehandeln. Möglicherweise, so sein vorsichtiges Fazit, sei sie an Herzrhythmusstörungen gestorben. Meldungen, wonach Gülnaz Baghistani herzkrank gewesen sei, konnte er nicht bestätigen. Sollte dies der Fall gewesen sein, hätte sie unbedingt Mineralien wie Kalzium oder Natrium zu sich nehmen müssen. Die von den Hungerstreikenden eingenommenen Flüssigkeiten wie Tee und Wasser seien hierfür kein Ausgleich.

Nach Aussagen von Orhan Özcan, dem Vorsitzenden des Kurdisch-Deutschen Zentrums, ist Gülnaz Baghistani an den Folgen des acht Kilometer weiten Marsches vom Breitscheidplatz bis zum Kurdistanhaus in der Zossener Straße nach der polizeilichen Räumung und den Angriffen der Ordnungshüter gestorben.

Zur Frage, ob auf dem heutigen Trauermarsch PKK-Symbole gezeigt werden, meinte Özcan: „Das kurdische Volk kann sich nicht von der PKK distanzieren.“ Der fortgesetzte Hungerstreik, der seit dem Todesfall regelmäßig ärztlich kontrolliert wird, ist für Özcan ein Erfolg: „Es gibt zwar eine harte Linie der hohen Politiker, aber auch immer mehr demokratische Kräfte, die sich mit uns solidarisieren.“ Silke Fokken, Zonya Dengi