Die relative Realität der revolutionären Theorie

■ Die 4. Internationale tagt: Irrungen im Gestrüpp der revolutionären Bewegungen

Als am Samstag der 42. Jahrestag der kubanischen Revolution mit Cuba Libre und Tombola in der Botschaftsaußenstelle in Pankow gefeiert wurde, war die taz nicht anwesend. Das war schade, aber schon gestern gab's eine Entschädigung. „Die vierte Internationale Konferenz“ sollte beginnen.

Die Einladung war etwas spärlich gehalten. Weder die Veranstalter noch das genaue Thema der Konferenz wurden näher erläutert. Aber dafür sind ja bekanntlich Pressekonferenzen da. Die vierte Internationale hatte dafür in das Berliner Congress Centrum geladen. Schwerpunktmäßig stand wohl die Diskussion über Theorie und Praxis auf der Tagesordnung. Gleich zu Beginn wurde nämlich die Frage gestellt, welche Rolle die Theorie für die Entwicklung unseres modernen kosmologischen Weltbildes spielt.

Merkwürdig war nur, daß die Veranstalter von der „1915 in Berlin begründeten Theorie von Raum und Zeit“ sprachen. Denn schließlich liegen die Ursprünge der Sozialistischen Internationale doch im letzten Jahrhundert. Aber nun gut, die Organisatoren der Konferenz versicherten, daß ein Drittel ihrer Mitarbeiter aus der ehemaligen DDR käme. Und die müssen ja eigentlich ganz genau wissen, wann und wo die ersten Wurzeln der Internationalen auszumachen sind.

Die Veranstalter waren wohl etwas nervös wegen der so zahlreich erschienenen Presse. Bei der Vorstellung verhaspelten sie sich und sagten, sie seien vom „Max- Planck“ statt vom „Karl-Marx-Institut“. Na ja, das ist aber auch klar, daß die aufgeregt waren. Schließlich, so verriet die Selbstdarstellung, ist die Konferenz aus einem ursprünglich kleinen Workshop hervorgegangen. Inzwischen treffen sich über 100 Leute aus 14 Ländern. Vier Tage soll nun debattiert werden, und zwischendurch gibt es auch Ausflüge ins Einsteinmuseum und nach Potsdam. Interdisziplinarität wird diesmal ganz groß geschrieben. Damit die Naturwissenschaftler nicht ausgegrenzt werden, soll es eine Podiumsdiskussion geben: „Vom Nutzen der Wissenschaftsgeschichte für Physiker und andere Zeitgenossen.“

Beim Eingangsreferat lehnte sich Herr Renn sehr an den Vortragsstil von Castro an, wahrscheinlich als nachträgliche Hommage an das Jubiläum. Wort für Wort las er seinen Vortrag vom Blatt ab, nur daß er nicht ganz so ausführlich ausfiel wie bei Fidel. Schließlich durften die Journalisten Fragen stellen, und man merkte gleich, wer was von Revolution versteht und wer nicht. Die dpa-Redakteurin wollte wissen, ob es denn noch andere Theorien gegeben habe und die Morgenpost- Schreiberin interessierte sich dafür, ob die Manuskripte von einem Graphologen entziffert worden seien. Der Reporter der Berliner Zeitung wollte vor allem Näheres über Milevas Einfluß auf die Theorie erfahren. Wer um alles in der Welt war bloß Mileva? Hatte die was mit Marx, Lenin oder kam die eher aus der anarchistischen Ecke?

Weder noch, sondern mit Einstein. Ach so. Und die „Vierte Internationale“ findet zur Geschichte der Relativitätstheorie statt. Den Jahrestag der kubanischen Revolution hat die taz also unwiderbringlich verpaßt. Und auch über die Allgemeine Relativitätstheorie werden die Leser nun relativ nichts erfahren. Aber das Leben ist eh relativ. Gesa Schulz