Goldmillion, die vorletzte

■ Sie lief Donnerstag abend, mit unserem Autor im Publikum

Die Stadt Monza, liegt die eigentlich in Spanien? Oder: Können Showmaster irren? Beziehungsweise: Wie wäre es wohl, mit Wolfgang Lippert befreundet zu sein? Fragen, quälende Fragen! Auf der Suche nach letzter Wahrheit beschließen Herr Schiffner und ich, es nicht mehr bis zur Ausstrahlung der „Goldmillion“ aushalten zu können, und besuchen daher die Aufzeichnung der Sendung, einen Tag früher.

So sitzen wir zur rechten Zeit beim ZDF im Produktionsstudio und mustern verstohlen die nähere Umgebung. „Das ist alles so winzig, so ... erbärmlich hier“, entfährt es Herrn Schiffner angesichts des massiven Einsatzes von Plastikdekorationen und vergoldeter Glühlämpchen, „gar nicht wie im richtigen Fernsehen!“ Und überhaupt: „Kann es sein, daß sie im Fernsehen ein anderes Publikum zeigen?!“ Herrn Schiffners Argwohn ist gerechtfertigt. Johlende Rentner – „Stimmung!“ – beherrschen die halbgefüllten Ränge und ergänzen sich auf das schönste mit der lautstarken Verwandtschaft des Produktionsassistenten. Stärker allerdings verstören uns noch die zwei jungen Damen, die auffallend normal wirken, sich aber auf russisch unterhalten. Wir müssen vermuten, daß die Ostblock-Mafia nicht davor zurückschreckt, verschleppte russische Mädchen auch als „Publikum“ an skrupellose Fernsehanstalten zu verkaufen. – Bevor es richtig losgeht, wird noch kurz der schwierigste Teil der Show durchexerziert, verbessert und letztendlich perfektioniert: der obligatorische Eröffnungsbeifall. Ein Assistent, der sicher auch ein wertvoller Trappist geworden wäre, dirigiert, unablässig quasselnd, per Mikrophon und ist sich dabei für keinen Kalauer zu schade („Lächeln Sie mal! Ah, Zähne sind auch da, na ja, sonst nehmen Sie die vom Nachbarn...“). Das frenetische Publikum dankt es ihm.

Mit dem Wink, man möge doch den eigenen Auftritt im TV am nächsten Tag auch Bekannten empfehlen, sichert er der Sendung noch eine achtbare Einschaltquote und tritt ab. Denn jetzt schaut auch Wolfgang Lippert noch kurz vorbei. Der lächelt wohlgelaunt und scherzt mit dem Publikum. Erklärt dann, daß er sich immer freut, wenn am Anfang seiner Show gejubelt und geklatscht wird. Am Anfang seiner Show wird gejubelt und geklatscht. Als Lippert zwei Rentner mit einem lustigen Fotoapparat fotografiert, aus dem vorne Wasser spritzt, wächst die Begeisterung ins Grenzenlose.

Dann kommen die üblichen Quizspiele mit Michael aus Bielefeld, Optiker Klaus und der albernen Susann. Klaus ist zwar nicht intelligenter als die anderen, aber langsamer und darf deshalb als erster wieder gehen. Michael und die alberne Susann bekommen Fragen, die vor jedem Gericht der Welt als Suggestivfragen verworfen würden: In welchem Bundesland liegt Saarbrücken? Wie heißt Federico Fellini mit Vornamen? Sicher beantworten die beiden sie einmal und fast noch sicherer ein zweites Mal, weil Lippert nämlich die Kandidaten an die falsche Position befohlen hat und dieselben Fragen unauffällig wiederholt werden müssen. Ist dem Fernsehen denn gar nichts mehr heilig?

Als Michael wenig später behauptet, die Stadt Monza liege in Spanien, läßt Lippert sich übertölpeln und gibt den Startschuß fürs Siegerfeuerwerk. Die Regie funkt dazwischen – Italien, kein Feuerwerk! –, aber leider zu spät. Es folgen Schuldzuweisungen, Konfusion. Das Publikum leidet mit, und die alberne Susann fordert lauthals, den Hauptgewinn zu teilen. Nichts da, tönt der Regisseur, noch mal von vorn, diesmal mit frischen Fragen. Irgendwann ist die Show trotzdem vorbei.

Die Enttäuschung kommt am Ende. Kaum sind die Kameras abgestellt, dreht Lippert ab. Ignoriert das Publikum. So, als wäre nichts gewesen. Als hätten wir nicht auf Kommando für ihn geklatscht und gelacht, augenzwinkernd gar seine kleinen Betrügereien gedeckt. Als wären wir nicht zwei Stunden lang Freunde gewesen. Martin Sonneborn