„Integrationswerkstatt der Nation“

■ Barbara John stellte Bericht zur Berliner Ausländerpolitik vor / Widersprüchliche Trends: Mehr Einbürgerungen, bessere Schulabschlüsse, höhere Arbeitslosigkeit

„Berlin ist die Integrationswerkstatt der Nation“, konstatierte die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU), als sie gestern zusammen mit Sozialstaatssekretär Armin Tschoepe den neuen „Bericht zur Integrations- und Ausländerpolitik“ vorstellte. Tatsächlich hat die Hauptstadt unter den deutschen Städten mit derzeit 420.000 Nichtdeutschen die höchste Zahl an ZuwanderInnen und den größten Prozentsatz von Einbürgerungen aufzuweisen.

Während die Einbürgerungsquote im Bundesgebiet nach der letzten Erhebung von 1992 bei nur 1,1 Prozent lag, konnte Berlin 1993 auf eine Quote von immerhin 6,7 Prozent verweisen – inzwischen dürfte sie noch ein Stück höher liegen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sich 6,8 Prozent aller TürkInnen, 31,3 Prozent aller LibanesInnen und 31,9 Prozent aller VietnamesInnen in Berlin einen deutschen Paß ausstellen lassen – letztere fast ausschließlich frühere „boat people“. Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ist nämlich unter anderem ein zehnjähriger Aufenthalt im Land, den die früheren DDR- VertragsarbeiterInnen nicht nachweisen können. Eine „Statusverfestigung“ konstatiert die Ausländerbeauftragte aber auch bei denen, die sich nicht einbürgern lassen wollen oder können: Mehr als zwei Drittel der hier lebenden Nichtdeutschen haben inzwischen mindestens eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Positiv findet John auch die Angleichungstendenzen zwischen Ost und West: Zwischen 1991 und 1994 ist die Zahl der nichtdeutschen Bevölkerung im Westen um rund 33.000 und im Osten um etwa 30.000 gestiegen. Bei AusländerInnen aus Österreich, England und den USA besonders beliebt: der Prenzlauer Berg. Hier haben sich die Menschen mit fremdem Paß zwischen 1992 und 1995 von 4.024 auf 7.455 fast verdoppelt.

Weitere Positivtrends in den Augen der Ausländerbeauftragten: der steigende Anteil der Selbständigen, die sich mit einem Gemüseladen oder ähnlichem eine eigene Existenz aufbauen und die Tendenz zu besseren Schulabschlüssen unter den nichtdeutschen Jugendlichen. Dennoch liegt das Bildungsniveau der AusländerInnen immer noch ein ganzes Stück hinter den Deutschen zurück: Das Schuljahr 1993/94 schlossen 31,3 Prozent aller deutschen SchülerInnen, aber nur 12,9 Prozent aller nichtdeutschen mit Abitur ab. Umgekehrt verließen 25,2 Prozent der Nichtdeutschen und nur 11,5 Prozent der Deutschen die Schule ohne Abschluß.

Im Widerspruch zu diesen verhaltenen Positivtrends steht die rasante Erhöhung der Arbeitslosigkeit unter den AusländerInnen, die vor allem dem Strukturwandel der Wirtschaft geschuldet ist. Im Jahre 1990 waren 7,3 Prozent der Deutschen und 11,5 Prozent der Nichtdeutschen arbeitslos, heute ist mit 10,9 bzw. 24,8 jeder zehnte Deutsche und sogar jeder vierte Nichtdeutsche ohne Arbeitsplatz. Besonders betroffen sind davon die ArbeitsmigrantInnen der ersten Generation, die heute um die 50 Jahre alt sind und wohl keine Arbeit mehr finden werden. Ute Scheub