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: Pietätvoll

„Ein Prophet aus Altona – Der Fall Axel Springer“. Spiegel-TV, Di., 23.00 Uhr, Sat.1

Vor der Sendung hatten wir die Filmfassung von Michael Jürgs' Springer-Biographie all jenen empfohlen, denen die taz- Rezension von Rolf Winter nicht reichte, 440 Seiten Buch aber zu mühsam sind. Nach Ansicht von einer Stunde Filmmaterial erlauben wir uns das Urteil: die taz- Seite lohnte sich mehr. Spitzt Rolf Winter zu auf Springers „Leben voller Größenwahn, Aberglauben und Promiskuität“, so kommt „Spiegel-TV“ wie ein braver Nachruf daher.

Tamara Duve und Michael Jürgs haben ihre Biographie chronologisch bebildert. Zu Wort kommen fast nur pensionierte Springer-Manager, Chefredakteure, eine der vielen Ex- Ehefrauen. ACS, das Kommunikationsgenie, der noch vor Adenauer mächtigste Mann des Landes, schließlich der Einsame, der um seinen ältesten Sohn – Sven Simon – trauert und der nur noch seinen Laden verkaufen will.

Wo Jürgs' Buch zubeißt und decouvriert, glättet der Film, läßt pietätvoll die Zeitzeugen aus dem eigenen Umkreis reden. „Er legte sich sogar mit dem gemeinen Volk, von dem er lebte, das er aber sonst nicht so liebte, ins Bett“, schreibt Jürgs und erzählt, wie Springer Friseusen per Kleinanzeige hinterherlief. Der Film läßt lieber eine Journalistin und Ex-Geliebte über den Menschen Axel schwadronieren, kein Wort über die Liebesbeziehung.

Ähnlich die Politik. Sprach die Anmoderation noch von der Haßfigur, so war im Film davon wenig zu spüren. Eine gräßliche Bild-Schlagzeile nach dem Anschlag auf Rudi Dutschke („Er flucht schon wieder“), ein paar Bilder von der Belagerung des Hochhauses an der Kochstraße. Und Bommi Baumann, als „Ex- Terrorist“ angekündigt. Der hatte leider – die Kehle von einer mächtigen Krawatte zugeschnürt – nichts zu sagen, außer daß Springer eine Symbolfigur für die Linke war.

Der Haß auf ihn und Bild muß ja heute nicht mehr da sein, schließlich hat auch schon ein taz-Kommentator den Vorschlag unterstützt, die Kochstraße nach Axel Cäsar umzubenennen. Aber der Film hätte sinnlich erfahrbar machen können, wie damals der Kampf zwischen ihm und den protestierenden 68ern die Republik prägte.

Warum so pietätvoll? Vielleicht gibt uns der Sender, auf dem Spiegel-TV gestern abend lief, einen Hinweis. Er gehört zu 63 Prozent dem Kirch-Springer- Konzern. Michael Rediske